"...wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende"
Darmstadt-Dieburg – Im Landkreis Darmstadt-Dieburg leben 28.000 Menschen mit ausländischem Pass. Zählt man diejenigen dazu, die eingebürgert sind oder eine Familie mit Wurzeln in anderen Ländern haben, blicken noch erheblich mehr Bewohner des Landkreises auf eine Zuwanderungsgeschichte zurück. Dass zahlreiche Menschen, deren Herkunftsland nicht Deutschland ist, eine Erfolgsgeschichte geschrieben haben, geht allzu oft unter. Das Büro für Migration und Inklusion des des Landkreises Darmstadt-Dieburg hat die Kampagne „Aktion Vorbild“ gestartet und mit Menschen gesprochen, die sich im Landkreis integriert fühlen und beruflich erfolgreich sind. Portraits und Kurzfilme sind auch auf der Homepage www.aktion-vorbild-dadi.de nachlesbar.
Wenn Amandeep Singh abends im Klassenraum sitzt, um mit anderen erwachsenen Schülerinnen und Schülern binomische Formeln und englische Vergangenheitsformen, die deutsche Literatur oder etwas über elektrische oder magnetische Felder zu lernen, hat er schon einen Arbeitstag hinter sich. Als Pizzabäcker und Fahrer verdient er tagsüber und an den Wochenenden sein Geld. In die Abendschule geht er, um den Realschulabschluss zu erwerben. Sein nächstes Ziel ist das Fachabitur mit Schwerpunkt Mathematik und Physik, und dann will er Polizist werden. „Mit Abitur kannst Du alles machen“, glaubt Amandeep Singh. Er weiß, dass die Polizei daran interessiert ist, Menschen mit Migrationshintergrund auszubilden. „Ich baue mir in Deutschland mein Leben auf und irgendwann werde ich die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen“, sagt Amandeep Singh, und der Optimismus, den er in sich trägt ist dabei spürbar. Sein Leitspruch kommt aus dem Indischen und lautet „Am Ende ist alles gut und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende“.
Fünfzehneinhalb Jahre war Amandeep Singh jung, als seine Verwandten ihn in ein Flugzeug nach Deutschland setzten. Als Unbegleiteter minderjähriger Flüchtling landete er zunächst in Frankfurt, kam nach Darmstadt und wurde von dort in ein Kinderheim gebracht, wo er ein halbes Jahr blieb. Mit seinem 16. Lebensjahr hatte er die Möglichkeit, selbst einen Asylantrag zu stellen und kam in eine Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Amandeep Singh wollte die deutsche Sprache lernen, hatte aber das Geld für die Monatskarte nicht. Er steckte in einem kleinen Ort fest und wartete auf bessere Chancen. Die kamen, als er in eine andere Gemeinschaftsunterkunft umsiedeln konnte. Von hier aus waren die Verbindungen in die Städte besser. Er pendelte täglich, um den Hauptschulabschluss zu erwerben, den er mit Bravour schaffte. „Ich hatte vier Einser, da bin ich sehr stolz drauf“, erzählt Amandeep Singh und lacht.
Sein Asylverfahren wurde negativ beschieden, dennoch konnte er sich mit einer Duldung weiterhin in Deutschland aufhalten. Mit einer Arbeitserlaubnis sorgte er selbst für seinen Lebensunterhalt und musste keine Sozialhilfe beantragen. Damit erwarb er eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe. Als es dann um die Aufenthaltserlaubnis auf Dauer ging, wurde der indische Konsul ins Regierungspräsidium Darmstadt bestellt und bestätigte, dass Amandeep Singh staatenlos ist. Für drei Jahre kann er deshalb vorerst in Deutschland bleiben und hofft, dass er ab August eine Niederlassungserlaubnis erhält. „Da ich vor habe, weiter zur Schule zu gehen und zu arbeiten, wird das vielleicht klappen“, vermutet Amandeep Singh. Bisher hat er immer Menschen getroffen, die ihm Rat geschenkt haben, sodass er wusste, wie seine nächsten Schritte aussehen sollen. Geholfen hat ihm auch Sabine Hahn, die einst als sozialpädagogische Fachkraft des Landkreises Flüchtlinge betreute und heute das Interkulturelle Büro des Landkreises leitet.
Diskriminiert worden sei er in Deutschland nie, meint Amandeep Singh, auch wenn ihm schon von Türstehern der Zugang zu Clubs und Diskotheken verweigert worden ist. „Die lassen mich nicht rein, obwohl die Türsteher auch Migrationshintergrund haben“, erzählt er und lacht. Deutschland empfindet er als seine Heimat, weil das Land ihn als Heranwachsenden geprägt hat. „Ich bin in ein fremdes Land gekommen und es hat mich mit sehr viel Liebe aufgenommen“, so Amandeep Singh. Er weiß gut über die Gesellschaft und Politik bescheid, weil er sich sehr dafür interessiert und regelmäßig Nachrichten hört. Wählen können, das fände er gut. „Was die Regierung entscheidet, das betrifft ja auch uns“, argumentiert Amandeep Singh. Integration muss seiner Ansicht nach von den Zuwanderern und auch von der Aufnahmegesellschaft geleistet werden. Das Sprichwort „Klatschen muss man mit beiden Händen“, ist für Amandeep Singh in diesem Zusammenhang sehr passend. Er ist überzeugt davon, dass beide Seiten aufeinander zugehen müssen, damit Integration gelingen kann: „Ich glaube, wir Zugewanderten müssen mehrere Schritte machen, wenn die Aufnahmegesellschaft einen Schritt macht“. Kein Verständnis hat er für Menschen, die seit 35 Jahren in Deutschland leben und kein Deutsch sprechen. Die Sprache lernen und sich für die Gesellschaft interessieren, das ist für Amandeep Singh eine wichtige Grundlage.