Presse-Archiv 2002
Im Streitfall schätzt Gutachterausschuss den Wert von Haus und Grund
Immun gegen Miesmacher und Schönredner
13.08.2002
Darmstadt-Dieburg - Wenn es um Immobilienwerte geht, ist der Gutachterausschuss des Katasteramts gewiss die am besten informierte neutrale Quelle im Landkreis. Seit der Gründung des Großkreises vor 25 Jahren hat das Gremium, in dem sich der Sachverstand von 14 Experten verschiedener Fachrichtungen bündelt, das Marktgeschehen ständig im Blick. Das machen sich viele Bürger, gewerbliche und behördliche Stellen zunutze. In der Kundenresonanz liegt die in Dieburg ansässige Auskunftei mit Abstand vor den übrigen rund 40 Geschäftsstellen der Städte und Landkreise hessenweit. Rund 2500 Anfragen nach Bodenrichtwerten gingen im vorigen Jahr ein, 111 Gutachten wurden angefordert. "Das ist kein Zufall", sagt Erste Kreisbeigeordnete Celine Fries. "Wir liefern weitreichende Analysen, Langzeitbeobachtungen und Berechnungsmodelle, an denen sich sowohl Kaufwillige als auch Anbieter orientieren können. Die Daten machen den Markt überschaubar." Vor allem mit dem jährlich als Buch und CD Rom erscheinenden Immobilienmarktbericht, in Umfang und Qualität einzigartig und mit einer Auflage von rund 250 Exemplaren Bestseller in Hessen, habe man Maßstäbe gesetzt. Das professionell aufgemachte Werk gehöre inzwischen zur Pflichtlektüre von Maklern, Bankern und diversen Institutionen. Lediglich 17 Gebietskörperschaften im Land geben laut Fries überhaupt Marktberichte heraus und dies teilweise nur im zweijährigen Turnus und mit deutlich geringerer Aussagekraft. Für die Beschreibung der Marktlage wertet der Gutachterausschuss alle zwölf Monate sämtliche Kaufverträge - im vorigen Jahr rund 3.500 - nach unterschiedlichen Gesichtspunkten aus und setzt so genannte Bodenrichtwerte fest. Diese Zahlen spiegeln das jeweils aktuelle Preisniveau für Grundstücke, Häuser und Eigentumswohnungen, unter anderem differenziert nach 83 Gemarkungen im Landkreis und weiteren Wertzonen innerhalb der größeren Städte und Gemeinden, wider. Als Messlatte reichen die Durchschnittsangaben für verschiedene Kategorien und Lagen meist aus, mitunter aber sind genauere Schätzungen erforderlich, die zusätzliche Merkmale wie Ausstattung, Zustand oder Verwendungszweck berücksichtigen - beispielsweise vor einer Zwangsversteigerung, beim geplanten Verkauf kommunaler Liegenschaften, im Rahmen von Straßenbau- und Sanierungsprojekten. Besonders in Streitfällen, etwa ums Erbe, den Vermögensausgleich bei einer Scheidung oder die Höhe der Steuern, kommt es den Beteiligten oft auf jede wertrelevante Kleinigkeit an. Wird der Gutachterausschuss mit einer Expertise beauftragt, bewerten generell mindestens drei Sachverständige das Objekt. Ihr Urteil stützt sich auf Unterlagen, Vergleiche und eine ausgiebige Besichtigung. Vom Keller bis zum Dachboden schaut man sich jeden Raum an, registriert feuchte Wände, zugige Fenster und marode Heizkörper ebenso wie teure Holzvertäfelungen, Designergeländer oder goldene Wasserhähne. Bei ihren Rundgängen müssen die Unparteiischen gelegentlich Beeinflussungsversuchen trotzen. Je nach Interessenlage wird die Immobilie wort- und manchmal auch tränenreich schön geredet oder mies gemacht. "Da hilft nur: Ohren auf Durchzug stellen und jede Sentimentalität vergessen", erzählt Geschäftsstellenleiter Klaus-Peter Weis aus der Praxis. Manchmal aber passiert etwas Unvorhersehbares, das selbst erfahrenen Gutachtern die Fassung raubt. Der größte "Schock" bisher: ein Pferd im Wohnzimmer, urgemütlich mit Essecke, Strohteppich, anheimelnder Blümchentapete und wallenden Vorhängen. Der Gutachterausschuss Die Einrichtung von Gutachterausschüssen für Grundstückswerte ist seit 1960 im Bundesbaugesetz verankert. Die beiden Ausschüsse der Altkreise Darmstadt und Dieburg wurden nach der Gebietsreform 1977 zusammengelegt. Das Gremium umfasst heute 14 Gutachter, die jeweils für fünf Jahre vom Kreisausschuss berufen werden. Sie arbeiten ehrenamtlich, selbständig und unabhängig und treffen ihre Entscheidungen in nicht öffentlichen Sitzungen. Den Vorsitz führt Werner Pilz, Leitender Vermessungsdirektor und Chef des Katasteramtes. Weitere Mitglieder sind: Bau- und Planungsrechtsfachmann Fritz Axt (Kreisbauamt), Vermessungsoberrat Dieter Kaffenberger (Katasteramt), die Architekten Martin Birli (Griesheim), Tilmann Brauneck (Groß-Umstadt), Ulf Decker (Darmstadt), Christine Hartmann (Dieburg), Otmar Maurer (Münster) und Karl-Ludwig Pulß (Eppertshausen), die Landwirte Susanne Ries (Münster), Walter Schütz (Groß- Umstadt) und Sebastian Steinmetz (Eppertshausen), außerdem Klaus Mathes und Klaus-Dieter Stefani von den Finanzämtern Darmstadt und Dieburg. Bereits seit der Gründung dabei sind Otmar Maurer (64) und Martin Birli (63); sie konnten jetzt ihr 25-jähriges Gutachterjubiläum feiern.
db