Presse-Archiv 2002

Blinde können erstmals wirklich geheim abstimmen

Wählen mit Schablone

05.09.2002

Darmstadt-Dieburg - Blinde und stark sehbehinderte Menschen können bei der Bundestagswahl und der Volksabstimmung am 22. September erstmals ihre Stimme wirklich geheim abgeben. Eine Schablone macht es möglich. An der Entwicklung des neuen Verfahren hat Frank Schäfer, der Behindertenbeauftragte des Landkreises, in seiner Funktion als Mitglied im Landesvorstand des Blindenbunds Hessen maßgeblichen Anteil.
Schäfer spricht von einem großen Fortschritt, der allerdings schon längst fällig gewesen sei. Der Amtmann kennt die Probleme aus eigner Erfahrung. Bisher waren Blinde bei der Briefwahl oder in der Wahlkabine auf die Hilfe von Sehenden angewiesen, hatten also zwangsläufig immer Mitwisser. Fehlte eine geeignete Vertrauensperson, verzichteten viele Betroffene lieber ganz auf ihr Wahlrecht, als ihre parteipolitischen Präferenzen gegenüber Fremden preiszugeben. Ganz ohne Unterstützung geht es zwar diesmal noch nicht, das Wahlgeheimnis aber ist jetzt garantiert. In die neu entwickelten Schablonen werden jeweils die normalen amtlichen Stimmzettel eingelegt. Die Felder zum Ankreuzen sind ausgestanzt, Listennummer beziehungsweise "Ja" und "Nein" für die drei Fragen zur Volksabstimmung fühlbar in den Karton geprägt. Blinde brauchen also nur noch jemanden, der ihnen die Positionen der Kandidaten und Parteien auf der Liste vorliest und die Zettel in die Lochkarten einpasst.
Den Rest können sie dann unbeobachtet im "stillen Kämmerlein" erledigen. Es steht auch eine Tonbandkassette mit entsprechenden Informationen für jeden einzelnen Wahlkreis zur Verfügung. Die Grundlagen des Systems für Hessen hat der Landeswahlleiter zusammen mit Schäfer und Manfred Schaub, dem Geschäftsführer des Blindenbunds ausgearbeitet. Eine wichtige Voraussetzung war beispielsweise ein einheitliches Stimmzettelformat in allen 21 Wahlkreisen. In der Vergangenheit konnten die jeweiligen Wahlleiter die Größe nach eigenem Ermessen festlegen; künftig sind die Bögen genormt. Auch an der Konzeption der Schablone wirkte der Blindenbund mit. Ein Fachbetrieb, die Druckerei der Deutschen Blindenstudienanstalt in Marburg, stellt sie her. Der Behindertenbeauftragte des Landkreises weist darauf hin, dass die Lochkarten nicht automatisch verschickt werden. Blinde und Sehbehinderte sollten sie rechtzeitig bestellen. Der Vertrieb erfolgt ausschließlich über den Blindenbund Hessen. Dort ist auch die Hörkassette kostenfrei erhältlich, die umfassend über Wahlvorgang und Stimmzettel aufklärt. Kontakt: Blindenbund Hessen e.V., Eschersheimer Landstraße 80, 60322 Frankfurt, Tel. 069/ 1505966 oder 01805/666456, Fax 069/15059677, e-mail geschaeftsstelle@blindenbund-hessen.de.

db

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