Presse-Archiv 2002
Bauen ohne förmliche Genehmigung - Wahlfreiheit durch Gesetzesnovelle
Weniger Bürokratie - mehr Verantwortung
30.09.2002
Darmstadt-Dieburg - Von 1. Oktober an ist für den Hausbau unter bestimmten Umständen keine förmliche Baugenehmigung mehr erforderlich. Durch die entsprechende Novelle der Hessischen Bauordnung können Bauherrn bürokratischen Aufwand, Zeit und auch Geld sparen, tragen aber auch eine deutlich höhere Verantwortung. Bis zu dreißig Prozent der rund 2.400 Bauanträge, welche die Kreisverwaltung derzeit durchschnittlich im Jahr bearbeitet, könnten in Zukunft wegfallen, schätzt Wolfgang Klos, Baudirektor im Landratsamt Dieburg, wenn Bauwillige die neue Option nutzen. Dafür müssen allerdings Rahmenbedingungen erfüllt und gewisse Risiken eingegangen werden. Wer lieber auf Sicherheit baut, hat jedoch in einer Übergangszeit von drei Jahren die Wahl, auf die Freistellung zu verzichten oder sein Vorhaben behördlich prüfen und genehmigen zu lassen. Im normalen Verfahren kostet das bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus rund tausend Euro. Im so genannten vereinfachten Verfahren zahlt man jetzt die halbe Gebühr statt bisher 75 Prozent, also im Musterfall nur noch 500 statt 750 Euro.
Von einem Genehmigungsverfahren freigestellt werden können grundsätzlich alle Wohngebäude bis zur Hochhausgrenze (22 Meter) und Gewerbeprojekte, in denen die "Ebene des obersten Geschosses, in dem Aufenthaltsräume möglich sind" - auf gut Deutsch: der Fußboden - sieben Meter nicht übersteigt. Voraussetzungen dafür sind, dass das Grundstück im Bereich eines rechtskräftigen Bebauungsplanes liegt und der angestrebte Neubau den darin enthaltenen Vorgaben und der Hessischen Bauordnung absolut entspricht. Soll davon abgewichen werden, will man beispielsweise mehr oder weniger Stellplätze anlegen, Abstände verkleinern oder über die vorgegebenen Grenzen hinaus einen Erker oder einen Windfang vorsehen, ist eine Ausnahme oder Befreiung und damit ein förmliches Verfahren notwendig. Nach Auskunft von Baudirektor Klos sind in der bisherigen Praxis Ausnahmen eher die Regel. Noch nicht einmal fünf Prozent der eingereichten Bauanträge kommen ohne Sonderwünsche aus. Ob sich Bauwillige künftig mit der Aussicht auf Genehmigungsfreiheit eher beschränken, lässt sich nach Meinung des Fachmanns nur sehr schwer vorhersagen. Bei den freigestellten Verfahren ist die Bauherrschaft für die vorschriftsmäßige Umsetzung verantwortlich. Kommt es zu Verstößen, können auch die an der Ausführung Beteiligten - Architekt, Bauleiter, Unternehmer - im Zuge von Ordnungswidrigkeitsverfahren belangt werden, rechtlich verantwortlich bleibt aber der Bauherr. Wurde fehlerhaft geplant oder gearbeitet, muss er sich dann wegen möglicher Regressforderungen mit seinen Partnern unter Umständen zivilrechtlich auseinander setzen. Insofern birgt die Entbürokratisierung auch Risiken. Über die Baurechtsnovelle und die neuen Wahlmöglichkeiten können sich Bauwillige im Landratsamt Dieburg auf ihren speziellen Fall bezogen aufklären lassen. Sprechtag bei der Bauaufsicht ist immer mittwochs, von 8.30 bis 12 Uhr und von 14 bis 18 Uhr. Die Beratung ist - zumindest vorerst noch - kostenfrei. Für Architekten plant die Behörde demnächst eine Informationsveranstaltung.
db