Presse-Archiv 2002

Veterinäramt beschlagnahmt 133 Ziegen

Wildwest im Odenwald

26.07.2002

Darmstadt-Dieburg - Wegen massiver Verstöße gegen das Tierschutzgesetz hat das Veterinäramt des Landkreises am Donnerstag auf einem "Gnadenbrothof" im vorderen Odenwald 133 Ziegen beschlagnahmt. Die Tiere wurden vorläufig auf anderen Anwesen untergebracht. Einige davon sind offenbar schwer krank, humpeln und weisen Entzündungen auf, an denen Maden herumkriechen. Die behördlichen Veterinäre sprechen von schlimmen Zuständen. Inwiefern noch eine Behandlung möglich ist und ob einzelne Tiere eingeschläfert werden müssen, wird sich bei den jetzt folgenden Untersuchungen herausstellen.

Der auf einem Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt beruhende Einsatz dauerte sieben Stunden und nahm zeitweise Formen einer Wildwestshow an. Die 51 Jahre alte Eigentümerin und ihre 25-Jährige Tochter leisteten erheblichen Widerstand. Nur mit Handschellen konnten Polizisten die junge Frau am Schlagen und Treten hindern. Die Ältere blockierte das für den Abtransport der Tiere bereitstehende Fahrzeug und fuhr ihren Wagen erst weg, als der Abschleppdienst anrollte. Durch den mäßigenden Einfluss des Anwalts der Betroffenen beruhigte sich später die Situation. Große Schwierigkeiten bereitete auch das Einfangen der Ziegen, die zusammen mit rund 100 Hängebauchschweinen, etlichen Gänsen und Hühnern auf dem weitläufigen Hanggrundstück am Ortsrand gehalten wurden. Es bedurfte einiger Anstrengungen, die Tiere mit Hilfe von Hütehunden und mobilen Zäunen zusammenzutreiben und zu verladen. Das Veterinäramt Darmstadt-Dieburg war, unter anderem unterstützt von Fachleuten aus Erbach und Gießen, von Mitarbeitern des Regierungspräsidiums, der Naturschutzbehörde und des kommunalen Bauhofs, mit einem Aufgebot von insgesamt 21 Personen angerückt.

Der Fall hat eine längere Vorgeschichte und wird sich wohl noch fortsetzen. Nicht nur dem Veterinäramt, auch der Naturschutzbehörde gibt die durch ständige Neuaufnahmen und ungebremste Fortpflanzung ausufernde Tierhaltung fortwährend Anlass zum Einschreiten. Die Besitzerin des "Gnadenbrothofes", die auch Eseln, Pferden und Katzen Obdach gewährt, scheint - bei allen edlen Motiven - organisatorisch und fachlich überfordert. Gegen jegliche behördliche Intervention setzt sie sich juristisch zur Wehr. Der jüngste Widerspruch beispielsweise richtet sich gegen einen Bußgeldbescheid in Höhe von 2.500 Euro. Anlass dazu: Im Februar dieses Jahres waren vierzehn Pferde auf einer völlig verschlammten Weide angetroffen worden.

Auf die Ziegenhaltung versucht das Veterinäramt seit anderthalb Jahren einzuwirken. Wiederholte Kontrollen ergaben unter anderem, dass ein Großteil der Herde Gelenk- und Klauenerkrankungen aufweist; die betroffenen Tiere sind in ihrer Bewegung stark beeinträchtigt. Statt amtstierärztlichen Rat und Anordnungen zu befolgen, prozessierte die Frau jedoch durch die Instanzen bis zum Verwaltungsgerichtshof. So lange waren dem Veterinäramt die Hände gebunden. Erst mit dem richterlichen Beschlagnahmebeschluss konnte jetzt zumindest dem Leiden der Ziegen ein Ende gesetzt werden. Die Aktion vom Donnerstag zieht ein noch nicht genau beziffertes, hohes Bußgeld (der gesetzliche Rahmen geht bis 25.000 Euro) und eine Rechnung für Einsatz und Folgekosten wie Unterbringung und ärztliche Versorgung der Tiere nach sich.
db

 

 

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