Presse-Archiv 2003
Traditionen fallen - Aus dem Konsolidierungsprogramm des Kreises
Landrat fordert Opfer
23.09.2003
Darmstadt-Dieburg - Kein Geld mehr für Vereine? Das Regierungspräsidium verlangt von der Kreisverwaltung, alle Ausgaben zu streichen, die nicht aufgrund von Gesetzen oder Verträgen zwingend erforderlich sind. Das will Landrat Alfred Jakoubek so nicht mitmachen: "Da stelle ich mich auf die Hinterbeine. Sämtliche freiwilligen Leistungen jetzt einzustellen, käme einem sozialen Kahlschlag gleich mit weitaus höheren Folgekosten im "Reparaturbetrieb" künftiger Jahre. Um diesen Bumerangeffekt zu vermeiden, will der Kreischef trotz extrem angespannter Haushaltslage die präventive Sozialpolitik weitgehend auf dem seitherigen Niveau halten und drei Bereiche vom Rotstift aussparen. Dabei geht es um die Unterstützung für Vereine und ehrenamtliches Engagement, um den Sektor Schule, Bildung und Familie sowie um Hilfsangebote wie zum Beispiel Drogen-, Schuldner- oder Verbraucherberatung. Gleichwohl hat Jakoubek ein Konsolidierungsprogramm aufgestellt, das kurz- und mittelfristig ein Einsparvolumen von rund drei Millionen Euro umfasst. Der Kreisausschuss hat die Vorschläge bereits gebilligt, im Kreistag steht die Diskussion noch bevor.
Grundsätzlich gilt eine Haushaltssperre für alle Ausgaben, die nicht auf Gesetzen, Verträgen oder Zusagen beruhen. Ausnahmen kann nur der Landrat genehmigen. Auch die Belegschaft hat einiges zu schultern. Abgesehen davon, dass Beamte - und nach Ablauf des Tarifvertrags wahrscheinlich auch Angestellte - vom nächsten Jahr an länger arbeiten, auf Urlaubs- und einen Teil des Weihnachtsgelds verzichten müssen, wird eine Jahrzehnte alte Tradition abgeschafft: Jeweils ein halber freier Tag an Fastnacht, am Heinerfest in Darmstadt und am Schlossgartenfest sowie zur Wallfahrt in Dieburg fallen weg. Die Wiederbesetzungssperre für frei gewordene Stellen gilt statt sechs nun neun Monate, Beförderungen werden aufgeschoben, neue Stellen nicht geschaffen. Essenszuschuss und Betriebsausflug stehen zur Disposition. Allein diese Personalmaß nahmen beziffert Jakoubek mit einem Geldwert von annähernd 700.000 Euro, hinzu kommen Rationalisierungseffekte unter anderem durch organisatorische Maßnahmen. An einigen Stellen wird auch die Kreisbevölkerung den Konsolidierungskurs zu spüren bekommen. Wo bisher nicht kostendeckend, sollen Gebühren dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand angepasst werden. Förderrichtlinien will man "im Hinblick auf Inhalt und Höhe" kritisch prüfen, Investitionen beispielsweise in Schönheitsreparaturen an Schulen zeitlich strecken. Für Aussagen zu den konkreten Folgen im Einzelnen ist es noch zu früh. Nach Auskunft von Jakoubek arbeitet der Kreis daran, Verwaltungsabläufe weiter zu optimieren, um Dienstleistungen mit weniger Personal und entsprechend kostengünstiger anbieten zu können.
Den Bediensteten werde noch mehr abverlangt als bisher schon. Das gehe aber nur bis zu einer gewissen Grenze, und wenn die erreicht sei, scheue er auch den Konflikt mit vorgesetzten Behörden nicht. Sobald "unabweisbar zur Aufgabenerfüllung mehr Personal notwendig ist", will Jakoubek jene Mitarbeiter aus den Staatlichen Abteilungen (dazu zählen unter anderem Kommunalaufsicht, Verkehrsbehörde und Ausländeramt) abziehen, mit denen der Kreis seither dafür sorgt, dass Landesaufgaben erfüllt werden können. Für die Personalausstattung der Landesabteilung hat eigentlich das Land Hessen zu sorgen, der Kreis ist nur verpflichtet, "Hilfskräfte" beispielsweise für Büroarbeiten und einfache Sachbearbeitertätigkeiten zu stellen. In diesem Sinne dauerhaft abgeordnet sind zurzeit 50 kommunale Angestellte und Beamte auf 42,5 Planstellen. Darüber hinaus füllt der Kreis die so genannten "S-Abteilungen" mit weiteren neun qualifizierten und entsprechend dotierten Fachkräften auf. Ihre Gehaltskosten liegen bei rund 450.000 Euro im Jahr. Diese Mitarbeiter will Jakoubek bei Bedarf zurückholen und begründet das so: "Es kann nicht sein, dass das Land ständig Personal wegspart und der Kreis dann trotz zunehmender eigener Verschuldung ohne finanziellen Ausgleich sicherstellen soll, dass der Betrieb dort weiterläuft."
db