Presse-Archiv 2003
Eichen erzählen ihre Geschichte - Sponsoren für Naturdenkmal-Steckbriefe gesucht
Was für ein Baum!?
04.09.2003
Babenhausen/Groß-Umstadt - Wenn Bäume reden könnten, würde sicher mancher Spaziergänger ganz schön staunen und nicht acht- und ahnungslos vorbei marschieren. Um die Aufmerksamkeit von Flaneuren zu fesseln, lässt die Naturschutzbehörde des Kreises zwei außerordentliche Baum-Methusalems buchstäblich "zu Wort kommen": Die so genannte "Schöne Eiche" von Harreshausen und die "Gambseiche" im Mittelforst bei Groß-Umstadt erzählen neuerdings ihre Geschichte - auf unmittelbar daneben stehenden Info-Tafeln.
Die Schöne Eiche, die schon rund 600 Jahre auf der Borke hat, gilt als Mutter aller Pyramideneichen in Europa. Infolge eines genetischen Unfalls, einer Mutation, entwickelte der Baum im Unterschied zu seinen "normalen" Verwandten eine pyramidenförmige Krone und schindete damit offenbar mächtig Eindruck. Zu ihrem Schutz wurden in Kriegszeiten sogar Wachen aufgestellt.
Die extravagante Figur fand so viele Bewunderer, dass Ende des 18. Jahrhunderts durch Pfropfungen - so nennt man die Vermehrung mit Hilfe abgeschnittener Äste - unzählige "Kinder" erzeugt und über den ganzen Kontinent verbreitet wurden. Heute, im hohen Alter, steht das einstige Prachtexemplar nicht mehr voll im Saft, ist stellenweise schütter, hohl und morsch. Deshalb kann man den Baum sicherheitshalber nur aus ein paar Metern Abstand bewundern.
Die mehr als 300 Jahre alte Gambseiche in der Gemarkung Groß-Umstadt trägt seit 1875 den Namen eines damaligen Forstschutzwartes. Ihre Früchte nährten bis Anfang des 19. Jahrhunderts frei laufende Rinder und Schweine, dann wurde die Waldbeweidung eingestellt und einiges abgeholzt. Die Stieleiche blieb erhalten und steht wie ein Monument an einer ehemals stark frequentierten Waldwegkreuzung. Auch wenn der Glanz früherer Zeiten ziemlich verblasst ist, schätzen Fachleute den Baum als Naturdenkmal von hohem Rang - und als Wohnung unzähliger Kleinlebewesen.
Insgesamt gibt es im Landkreis genau 100 Naturdenkmale: 59 als herausragende "Einzelschöpfung der Natur" eingestufte Bäume und 41 Landschaftsteile wie Felsgruppen, Waldgebiete, Teiche oder Parks. "Viele davon wären es wegen ihrer interessanten Historie wert, nicht nur in Fachbüchern, sondern unmittelbar erklärt zu werden", meint Amtsleiter Dr. Wolfgang Heimer und nennt als Beispiele die rund 800 Jahre alte Centlinde auf dem Heiligenberg bei Jugenheim, eine der ältesten Linden in Deutschland, die Schillereiche in Pfungstadt, die Dorflinde in Malchen und die Steinbornshohl, eine Lößschlucht bei Groß-Umstadt. Allerdings kann es sich der Kreis zurzeit nicht leisten, überall Lehrtafeln mit entsprechenden Steckbriefen aufzustellen. Mit der kürzlich eingegangenen Spende eines südhessischen Unternehmens sollen wertvolle Dünenrelikte im Raum Weiterstadt, Pfungstadt, Bickenbach und Seeheim-Jugenheim, deren Flora und Fauna europaweit ihresgleichen sucht, gekennzeichnet werden. Aber auch dafür fehlen noch einige Euro. Im Landratsamt würde man sich deshalb darüber freuen, wenn sich weitere Sponsoren bereit fänden, die Patenschaft für ein Naturdenkmal zu übernehmen. Kontakt: Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Dieburg, Telefon 06071/8812206.
db