Presse-Archiv 2008

Leiterin des Gesundheitsamts geht in Ruhestand

Generalistin und Spezialistin zugleich

08.08.2008

Darmstadt-Dieburg - “Es war immer spannend und gab ständig neue Herausforderungen.” Das hält offenbar frisch und fit. Jedenfalls möchte man Dr. Iris Hofstetter, der langjährigen Chefin des Gesundheitsamts für die Stadt Darmstadt und den Landkreis Darmstadt-Dieburg, kaum glauben, dass sie sich wegen Erreichens der Altersgrenze von 65 Jahren in den Ruhestand verabschiedet.

Nach dem Wunsch des Vaters hätte sie ja Apothekerin werden sollen. Doch nach einem Krankenhausaufenthalt als Kind sah sie ihre Zukunft als Ärztin und verfolgte dieses Ziel konsequent. Geboren in Stuttgart, aufgewachsen in Ludwigshafen studierte Iris Hofstetter Medizin in Heidelberg, Wien und Mannheim, heiratete einen Kommilitonen, bekam zwei Töchter und einen Sohn. Dem Staatsexamen folgten Stationen an der Universitätsklinik Ulm und im Gesundheitsamt Aachen, zunächst als Schulärztin, dann im Umweltbereich, 1988 die Ausbildung zur Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen mit der Zusatzbezeichnung Umwelt- und Sozialmedizin. 1992 kam Dr. Hofstetter nach Darmstadt als stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamts und bildete schließlich als Doppelspitze mit Dr. Georg Hoffmann bis heute das Führungsteam.

Ein nie endender Strom gesetzlicher, organisatorischer und technischer Veränderungen sorgen im Gesundheitsamt für immer neue Aufgaben, Möglichkeiten und Schwerpunkte. “Da bleibt man nicht auf einem Wissensstand, sondern muss sich permanent fortbilden und neuen Dingen öffnen“, beschreibt Hofstetter den nicht immer einfachen Posten. “Wir sind gleichzeitig Generalisten und Spezialisten, müssen immer einen kühlen Kopf bewahren, selbst wenn es ringsum heiß hergeht.” Beispielhaft nennt die Amtsärztin die Stichworte Bioterrorismus und Katastrophenschutz - nur ein kleiner Teil des Tätigkeitsgebiets, jedoch immer mit immensem Aufwand verbunden. Auf Milzbrand folgten Pockenalarm, Vogelgrippe, Pandemie. Jedes Mal mussten für die rund 430.000 Einwohner umfassende Region nach unterschiedlichen Vorgaben neue ordnerdicke Einsatzpläne aufgestellt, mit etlichen Partnerinstitutionen abgestimmt und durchgespielt werden. Unvergesslich bleibt Hofstetter der Fund des ersten “Milzbrandbriefs” beim Zollamt in Darmstadt. “Es sah aus wie nach einem Attentat: Ein Riesenaufgebot an ABC-Wagen, Polizei- und Rettungsfahrzeugen, Notarzt, verängstigte Menschen, Schaulustige ….” Das verdächtige Kuvert ging in einer verplombten Sondermüllbox zum LKA, dreißig Betroffene wurden befragt, alle Kleider asserviert[N1] , dann banges Warten, bis am nächsten Tag das Ergebnis eintraf: Bei dem verdächtigen Pulver handelte es sich schlicht um Kaffee. Doch Atembeschwerden und Schleimhautreizungen bei Beschäftigten des Zollamtes beruhten keineswegs auf Einbildung: Ein ätzendes Reinigungsmittel erwies sich als reizender Auslöser.

Ein anderes spektakuläres Ereignis war 2005 der Ausbruch der Hasenpest nach einer Treibjagd in Griesheim. Erstmals seit vierzig Jahren hatten sich in Deutschland gleich neun Personen nach labordiagnostisch gesichertem Befund mit Tularemie infiziert, entsprechend stand Hofstetter plötzlich im Mittelpunkt des Interesses von Medien und Fachwelt. Gefrorene Hasenteile landeten im Gesundheitsamt, das Nationale Referenzzentrum der Bundeswehr in München mobilisierte sein Labor und erbrachte für mindestens zwei Tiere den Krankheitsnachweis. Inzwischen macht die Geschichte in internationaler englischsprachiger Fachliteratur die Runde.

Befragt, was sie emotional am meisten berührt habe, erinnert Hofstetter an die acht Hitze-Toten aus Darmstädter Altenheimen im Sommer 2003, und man merkt, wie sie die Schicksale heute noch bewegen.

Doch alles in allem fällt die Bilanz für ihre Darmstädter Zeit positiv aus, auch dank der einsatzfreudigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. “Ich bin mit dem Haus eng verwachsen und wünsche mir zum Abschied eine ausgewogene Balance von Bewährtem und Neuem“, sagt Dr. Iris Hofstetter und meint mit Bewährtem vor allem bürgernahe Angebote, die in den zurückliegenden Jahren aufgebaut wurden. Dazu zählen beispielsweise die Ernährungs- und die Reiseimpfberatung, die Umweltmedizinische Sprechstunde, öffentliche Impftermine etwa vor der Grippesaison oder auch die Präsenz des Gesundheitsamtes bei Messen und Ausstellungen mit einem Info-Stand zu wechselnden Themen. “Prävention und Aufklärung sind ungeheuer wichtig, auch auf fast vergessenen Feldern wie zum Beispiel HIV-Infektionen und die wiederauflebende Syphilis”, betont Hofstetter. In diesem Sinne wird gerade die Internetseite auf Service getrimmt, und in Kürze geht ein “Aids-Mobil” an den Start.

Die scheidende Chefin wird gewiss auch ohne die Arbeit im Gesundheitsamt in Schwung bleiben. Dafür sorgen unter anderem tägliche Yogaübungen, drei Enkel in Stuttgart und Köln sowie große Ziele, die sie sich gesetzt hat. Schon im September ist die Neu-Rentnerin dann mal weg: auf dem Jakobsweg.

 

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