Presse-Archiv 2008

Warnschüsse schrecken Bauernfänger offenbar ab

Geschenke zum Abwinken

26.09.2008

Darmstadt-Dieburg - Organisatoren von Kaffeefahrten, Gewinnshows und ähnlich fragwürdigen “Events” machen anscheinend einen Bogen um den Landkreis. Es hat sich jedenfalls lang keiner mehr blicken lassen, obwohl eigentlich die Zeit reif wäre: Sobald Spekulatius und Marzipan in die Supermärkte einziehen, wittern gewöhnlich auch unseriöse Geschäftemacher Weihnachtsduft und ihre Chance auf himmlische Umsätze. “Die Ruhe dürfte auf den hohen Kontrolldruck zurückzuführen sein, den wir hier ausüben”, vermutet Andreas Nungesser von der Ordnungsbehörde des Kreises. “Unsere Warnschüsse schrecken die Bauernfänger ab.“

Konsequent ist das Amt in den vergangenen Jahren gegen so genannte ungenehmigte “Wanderlager” eingeschritten, hat etliche Veranstaltungen unter anderem in Dieburg, Pfungstadt, Roßdorf, Mühltal und Weiterstadt zwangsbeendet, den Propagandisten so die Tour vermasselt und zudem beträchtliche Bußgelder aufgedrückt. Die Berichte darüber hätten die Bevölkerung sensibilisiert. Sowohl Bürger, die als “glückliche Gewinner” Einladungsbriefe erhielten, als auch Wirte mit entsprechenden Reservierungsanfragen meldeten sich vermehrt bei ihrer Gemeindeverwaltung oder dem Kreis, um auf entsprechende Aktivitäten hinzuweisen. Mit der Folge, dass keine Räume zur Verfügung gestellt oder Treffen amtlich aufgelöst wurden.

Das spricht sich herum in der Branche, die sich gleichwohl durch eine “unglaubliche Kaltschnäuzigkeit”, so Nungesser, auszeichnet. “Zehnmal abräumen, einmal blechen - das ist doch ein guter Schnitt”, mussten er und seine Kollegen sich gelegentlich sagen lassen, wenn sie den Nepp mal wieder verhindern konnten. Das Risiko, erwischt zu werden, ist in anderen Gegenden ungleich geringer als im Kreis, räumen Betroffenen ein und erklären unverblümt, dass sie es dann eben irgendwo sonst in Deutschland ihr Glück versuchen.

Immerhin ein Bußgeld in Höhe von insgesamt tausend Euro musste zuletzt ein junger Handlungsreisender ohne Reisegewerbekarte für sein illegales Wanderlager zahlen, der im Frühjahr in Münster Rentner über den Tisch ziehen wollte. Rund zwanzig Gäste hatten sich in dem Lokal eingefunden, um den schriftlich versprochenen Preis, einen Schlemmerkorb mit Schwarzwälder Schinken, Bauernbrot, Wein und anderen Leckereien, abzuholen. Tatsächlich standen Schuhkartons mit Tand im Wert von vielleicht zwei Euro bereit - und davon noch nicht einmal genügend für jeden. Reichlich Vorrat hingegen hatte der sprachgewandte Verkäufer mitgebracht an Magnetfeldeinlegesohlen, Fußsprudelbädern, Küchenmaschinen, Digitalkameras sowie allerlei Cremes, Pillen und Tinkturen fürs “Wohlbefinden” - die er zu Mondpreisen verhökern wollte. Nungesser hat schon viel Vergleichbares gesehen, etwa Massagesessel für 2.500 Euro, die im regulären Möbelladen lediglich 250 Euro kosten, oder Decken für 900 Euro bei einem tatsächlichen Handelswert von 10 Euro. Gern schwätzen die Propagandisten ihrem Publikum die Ohren voll, reden vier, fünf Stunden ununterbrochen von Krankheitsgefahren und Wundermitteln - und erreichen damit oft ihr Ziel. Selbst standhafte Naturen greifen am Ende zu - verängstigt, erschöpft, genervt, nur um der Dauerberieselung zu entkommen.

Wer in den nächsten Wochen aus heiterem Himmel Post mit der Einladung zur Kaffeefahrt, gratis Christstollen oder geschenkter Gans erhält, sollte sich sicherheitshalber im Landratsamt unter der Nummer 06071/8811333 erkundigen, ob das alles mit rechten Dingen zugeht.

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