Presse-Archiv 2011

Sozialdezernentin sieht finanzielle Folgen für den Kreis – und die Kommunen

Boom bei stationären Altenpflegeeinrichtungen zeichnet sich ab

19.10.2011

Übersicht über vollstationäre Pflegeeinrichtungen im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Grafiken: Kreis

Darmstadt-Dieburg - Im Landkreis Darmstadt-Dieburg muss gegenwärtig mit einem –  im Vergleich zu den vergangenen Jahren – starken Zuwachs an stationären Altenpflegeeinrichtungen gerechnet werden. Darauf hat die Sozialdezernentin des Kreises, Erste Kreisbeigeordnete Rosemarie Lück, jetzt hingewiesen.  Dem Kreistags-Ausschusses für Gleichstellung, Generationen und Soziales liegt hierüber in seiner nächsten Sitzung am kommenden Mittwoch (26.) ein Bericht der Dezernentin vor.

Rosemarie Lück: „Diese geplanten und teilweise schon im Bau befindlichen Einrichtungen werden vor allem zu einem drastischen Anstieg an vollstationären Heimpflegeplätzen führen.“  

Zwar seien Städte und Landkreise aufgefordert, gemeinsam mit anderen Akteuren eng zusammenzuwirken, um eine leistungsfähige, regional gegliederte, ortsnahe und aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre pflegerische Versorgung zu gewährleisten. Rechtlich wirksame Steuerungsmöglichkeiten auf der Basis einer Bedarfsplanung (Altenplan 2009 für den Landkreis Darmstadt-Dieburg) hätten sie jedoch nur bei Bauvorhaben, die im Rahmen der Investitionsförderung des Landes Zuschüsse in Anspruch nehmen, erläutert die Dezernentin. „Außerhalb eines Investitionsförderverfahrens haben Träger von Einrichtungen der stationären Pflege bereits dann einen ausdrücklichen Anspruch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den Landesverbänden der Pflegekassen und den Trägern der Sozialhilfe, wenn sie die baurechtlichen, heimaufsichtsrechtlichen und wirtschaftlichen Anforderungen erfüllen.“     

Dabei sehen die landesrechtlichen Bestimmungen für die „unabweisbar erforderliche Grundversorgung der Bevölkerung“ im Bereich der stationären Dauerpflege einen Bedarfsanhaltswert von höchstens 25 Plätzen auf 1000 Einwohner im Alter von 65 und mehr Jahren vor. Nach der Förderverordnung sollen Einrichtungen mit mehr als 100 Plätzen möglichst vermieden werden, bei Neu- und Umbauten sollen zugleich teilstationäre und rehabilitative Angebote geschaffen werden. Der Altenplan, den der Landkreis Darmstadt-Dieburg 2009 aufgestellt hat, weist für den Westkreis schon jetzt deutliche Überhänge an stationären Plätzen aus, die in den kommenden Jahren massiv zunehmen werden. Im Ostkreis wird der jetzt noch bestehende Bedarf gedeckt werden. Auch hier werden aber, falls alle geplanten Einrichtungen realisiert werden, Überkapazitäten entstehen.

Lück blickt in dem Bericht voraus: „Für unseren Landkreis Darmstadt-Dieburg ist davon auszugehen, dass auch künftig ein deutlich erkennbarer Bedarf an Tagespflege, regelhafter Kurzzeitpflege und Betreutem Wohnen bestehen wird, da die bisher von den Trägern der Einrichtungen vorgelegten Konzeptionen, eher an Pflege- und Betreuungskonzepten der dritten Generation des Altenheimbaus aus den neunziger Jahren orientiert sind und vor allem den Ausbau vollstationärer Plätze zum Ziel haben. Darüber hinaus werden auch weiterhin spezielle stationäre Angebote wie etwa Hausgemeinschaften und  Wohngruppenkonzepte für die wachsende Zahl von Menschen mit Demenzerkrankung fehlen.“

 

Insgesamt befürchtet die Sozialdezernentin in ihrem Bericht, dass

·        das bisherige „West-Ost-Gefälle“ bei der Versorgung mit stationären Pflegeplätzen weiter bestehen bleibt, und sich zum Nachteil des Ostkreises verschärfen wird;

·        sich die bislang günstige Relation zwischen häuslichen und stationären Pflegearrangements im Landkreis Darmstadt-Dieburg drastisch zugunsten der stationären Pflege verschieben wird („Heimsogeffekt“). So gibt es im Odenwaldkreis im Vergleich zum Landkreis Darmstadt-Dieburg deutlich mehr vollstationäre Plätze in Relation zur Zahl der Einwohner. Dementsprechend unterschiedlich war in 2009 die Quote der häuslichen Pflege: Odenwaldkreis 66,6 Prozent, Landkreis Darmstadt-Dieburg 80,4 Prozent;

·        der Neubau von innovativen stationären Einrichtungen (4./5. Generation des Altenheimbaus) wegen der großen, neuen Einrichtungen der 3. Generation über Jahre unterbleibt und es zu einem Verdrängungswettbewerb mit möglichen Insolvenzen von Einrichtungen kommt;

·        die Förderung und Etablierung von präventiven/ambulanten Angeboten zur Entlastung pflegender Angehöriger durch die Bindung von Ressourcen im stationären Bereich deutlich schwieriger oder sogar blockiert wird;

·        der Wettbewerb um examinierte Pflegefachkräfte drastisch zunehmen wird und damit auch  Forderungen nach einer Senkung der Fachkraftquote;

·        im Bereich der „Hilfe zur Pflege“ ein drastischer Kostenanstieg zu verzeichnen sein wird:

 

So gibt es im Landkreis Darmstadt-Dieburg aktuell in 22 Einrichtungen der vollstationären Dauerpflege insgesamt 1426 Pflegeplätze.

Durch die derzeit in Planung oder kurz vor Fertigstellung stehenden neuen Einrichtungen ist zu erwarten, dass sich die Anzahl der Pflegeplätze in diesem Bereich zukünftig bis auf 2399 Plätze erhöht. Hierbei wurde ein möglicher Bereinigungseffekt durch einen Verdrängungswettbewerb nicht berücksichtigt.

Die Erste Kreisbeigeordnete: „Dieser Zuwachs an vollstationären Heimpflegeplätzen wird sich auf die Finanzsituation des Landkreises Darmstadt-Dieburg insofern niederschlagen, als sich durch ein Anwachsen der Zahl der vom Landkreis Darmstadt-Dieburg finanziell nach dem Sozialgesetzbuch XII unterstützten Menschen in Einrichtungen auch eine Steigerung der Ausgaben ergeben wird.“

Im Bericht der Dezernentin heißt es weiter: „Es werden derzeit 238 Menschen in Kostenträgerschaft des Landkreises in Einrichtungen im Landkreisfinanziell unterstützt. Weitere 167 Menschen werden außerhalb des Landkreises in Einrichtungen aus Mitteln der Sozialhilfe unterstützt.

Im Landkreis Darmstadt Dieburg beträgt somit der Anteil der aus Sozialhilfemitteln unterstützten Pflegeplätze 16,69 Prozent.

Auf der Grundlage dieses Prozentsatzes lässt sich die Anzahl der nach Ausbau der Pflegeplätze auf 2399 Plätze zu erwartende Zahl der Sozialhilfeempfänger mit 400 in Einrichtungen des Landkreises und 167 außerhalb des Landkreises bemessen.“

Vize-Landrätin Lück abschließend: „Diese Entwicklung hat unmittelbare Auswirkungen auf die finanzielle Situation des Landkreises. So ist nach einer vollständigen Umsetzung der in Planung befindlichen Bauvorhaben und einem Gesamtvolumen von 2399 vollstationären Pflegeplätzen eine Ausgabensteigerung auf Seiten des Landkreises Darmstadt-Dieburg von derzeit jährlich etwa 4.350.000,00 Euro auf zukünftig rund 6.100.000,00 Euro zu rechnen. Dies bedeutet eine Zunahme der Ausgaben im Bereich der „Hilfe zur Pflege“ um rund vierzig Prozent die im Rahmen der Kreisumlage von den Kommunen im Landkreis Darmstadt-Dieburg mit getragen werden.“ 

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