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Zweiter Fachtag Bezahlbarer Wohnraum im Landkreis Darmstadt-Dieburg
Viele Ideen, um Wohnraum in Darmstadt-Dieburg zu schaffen
24.03.2025
Darmstadt-Dieburg. Die Zahlen, die beim zweiten Fachtag des Landkreises Darmstadt-Dieburg zum Thema bezahlbarer Wohnraum im Kreistagssitzungssaal des Landratsamtes in Kranichstein genannt wurden, sprachen Bände: Laut Thomas Bellmer, Geschäftsführer von Haus & Grund Darmstadt, ist die Einwohnerzahl im Landkreis von 2014 bis 2024 um 4,8 Prozent gestiegen, der Bestand an Wohnungen aber im selben Zeitraum nur um 2,7 Prozent. Die Mieten sind in diesen zehn Jahren um 35 bis 40 Prozent gestiegen, die Leerstandsquote betrug für längerfristig leerstehende Immobilien aber nur 1,5 Prozent. Der Leerstand sei also nicht das Problem, erklärte Bellmer, sondern das Angebot an bezahlbarem Wohnraum müsse erhöht werden. Danach sieht es aber aktuell nicht aus, wie Tanja Appel, Fachteamleiterin für Wohnbauförderung und Wohnraumanpassung beim Landkreis, ausführte: Wurde 2023 noch der Bau von 129 neuen Wohnungen mit einer Miete von 7,50 bis 9,80 Euro pro Quadratmeter gefördert, waren es 2024 nur noch 36 Wohnungen, für die eine Förderung beantragt worden war. Die Mieten lagen zwischen 8,50 und 8,55 Euro. Für Modernisierungen war gar kein Antrag gestellt worden. 2024 hatte das Land noch 3,2 Millionen Euro an Darlehen und 965.000 Euro an Zuschüssen im Landkreis ausgezahlt.
Wegen dieser Ausgangslage gehe es bei dem Fachtag auch darum, Signale nach Berlin zu senden, erklärte Sozialdezernentin Christel Sprößler. „Es geht darum, wie wir uns besser vernetzen können“, sagte sie. Denn angesichts der Zahlen sind alternative Modelle zum klassischen Neubau gefragt, um dem Bedarf Rechnung zu tragen. Dabei geht es nicht um die Gründung einer kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft. „Das Thema haben wir hinter uns“, sagte sie. Dennoch, und das betonte auch Jobcenterleiter Roman Gebhardt, sei der Wohnungsmarkt herausfordernd und werde es wohl auch bleiben. „Der Wohnungsbedarf bleibt“, sagte Gebhardt. „Und deshalb müssen wir überlegen, was wir tun können“, sagte Sprößler.
Einige Modelle wurden beim zweiten Fachtag – den ersten hatte es 2023 gegeben – vorgestellt. Christel Sprößler selbst wies auf das Projekt hin, bei dem Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge geschaffen werden, die nach einigen Jahren dann als bezahlbarer Wohnraum genutzt werden können. Das Modell stammt aus dem Landkreis Gießen, hat laut Sprößler „unheimlich viel Potenzial“ und sei sehr gut auf Darmstadt-Dieburg übertragbar. Derzeit kommen weniger als 20 Flüchtlinge pro Woche in Darmstadt-Dieburg an. „Wir hatten aber auch schon Zeiten, da waren es 95“, sagte sie. Für diese Menschen wird Wohnraum benötigt. Und zwar nicht nur als Gemeinschaftsunterkünfte, sondern nach der Anerkennung auch auf dem ersten Wohnungsmarkt, weil anerkannte Flüchtlinge eigentlich aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen müssen, jedoch häufig keine Wohnung finden. Derzeit ist es so, dass der Kreis Nutzungsverträge für Gemeinschaftsunterkünfte abschließt. „Ist der Vertrag beendet, hat das viel Geld gekostet und die Plätze sind weg“, sagte Sprößler. Nun ist die Überlegung, Unterkünfte für Flüchtlinge zu bauen, die danach zu Wohnungen werden.
Die Kommunen stellen dafür das Grundstück zur Verfügung und verpflichten sich, das vom Landkreis bezahlte Gebäude nach acht Jahren als bezahlbaren Wohnraum zu nutzen – für mindestens 12 Jahre. „Das Geld für die Unterbringung von Geflüchteten können wir so auch nutzen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagte Sprößler. Ihr Vorschlag an die anwesenden Bürgermeister war, dies in ein oder zwei Kommunen mal auszuprobieren, „als Blaupause für andere Kommunen“. Einzige Voraussetzung: Für das Grundstück muss spätestens Ende 2027 ein Bebauungsplan vorliegen, der dauerhaftes Wohnen zulässt. Das Konzept wird nun an alle Bürgermeister verschickt, danach will Christel Sprößler mit allen, die daran Interesse haben, Gespräche führen.
Vom klassischen Weg berichtete Peter Bach von der Dexturis-Bau GmbH. Das Unternehmen errichtet derzeit bezahlbaren Wohnraum in Groß-Zimmern und Münster. Bach berichtete davon, dass nach wie vor viele Behördengänge nötig seien, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Von „einem Wust von Bürokratie“ erzählte auch Harald Polster, der das Genossenschaftsmodell der Wohnungsbaugenossenschaft Darmstadt-Dieburg vorstellte. Das Besondere hier: Für Wohnungssuchende gibt es keinen Mietvertrag, durch eine Mitgliedschaft erwirbt man ein lebenslanges Nutzungsrecht. „Man fühlt sich als Mitglied und nicht als Mieter“, sagte Polster. Es gelte vorausschauend zu planen und Wohnangebote zu entwickeln, die auch künftig benötigt würden, und nicht nur aktuell. Wohnen im Alter sei ein Stichwort bei einer immer älter werdenden Gesellschaft.
Wolfgang Bauer-Schneider berichtete von der Neuen Wohnraumhilfe in Darmstadt, die Wohnraum schafft und sichert sowie Wohnungen an Obdachlose vermittelt – und mit einer sozialen Mieterberatung dafür sorgt, dass es keine erneute Obdachlosigkeit gibt. Ein auch für Kommunen interessantes Zwischenmietmodell stellten Hanna Kaußen und Heike Fehr von der PaSo GmbH vor. Die Gesellschaft hat 20 Plätze für ambulantes betreutes Wohnen im Landkreis. Das Zwischenmietmodell sieht nun vor, dass die PaSo GmbH Wohnungen anmietet und an Klienten weitervermietet. Ziel ist es, dass die Klienten von Untermietern zu Hauptmietern werden und so etwa aus der Obdachlosigkeit herausgeführt werden. Für den Vermieter besteht zunächst kein Risiko, da die PaSo als Mieter auftritt. Dieses Modell gibt es im kommunalen Kontext als „Vermiete an deine Stadt“, wo die Kommune als Vertragspartner auftritt und für Mietzahlungen einsteht. Die PaSo betreibt als Nachfolgerin der Fachstelle „Sichern und Wohnen“ das Projekt „Wände.Punkt“, das vom Landkreis kofinanziert wird.
„Wir haben einige sehr interessante Ansätze gehört heute“, sagte Christel Sprößler, „und ich bin überzeugt, dass wir durch diese Fachtage alle zwei Jahre neue Ideen entwickeln können, um ein Stückweit dazu beizutragen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“