Presse-Archiv 2023
#Aktion Schutzschild im Kreishaus
150 Fachkräfte informieren sich, wie Kindesmissbrauch verhindert wird
10.10.2024
Darmstadt-Dieburg. Das Interesse war groß am Fachnachmittag im Kreishaus in Kranichstein als Teil der Veranstaltungsreihe „#Aktion Schutzschild“: Rund 150 Kindertagespflegpersonen, pädagogische Fachkräfte, Leitungskräfte und Trägervertreter von Kindertageseinrichtungen sowie Grundschullehrkräfte informierten sich, wie Kindesmissbrauch erkannt oder verhindert werden kann. „Jeder einzelne Fall von Missbrauch, dem vorgebeugt werden kann – dafür hat sich diese Aktion heute schon gelohnt“, sagte die Kreisbeigeordnete und Sozialdezernentin Christel Sprößler zur Begrüßung. Sie freute sich über das große Interesse und sagte zu den Teilnehmenden: „Hoffen wir, dass sie die Erkenntnisse, die sie heute machen, nicht oft anwenden müssen.“
Die Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache, die diese Hoffnung kaum nährt. „In jeder Klasse sind ein bis zwei Kinder von Missbrauch betroffen“, sagte Tina Antoni von der Polizei, „und die Zahlen steigen.“ Deshalb wurde vor vier Jahren die spezialisierte Einheit „Fokus“ (Fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch von Kindern) gegründet. 6800 Durchsuchungen wurden seitdem durchgeführt, über 100 Haftbefehle vollstreckt und rund 90.000 Datenträger, darunter PCs und Notebooks, externe Speichergeräte, Spielekonsolen, CDs/DVDs und mobile Endgeräte sichergestellt. So konnten knapp 7200 Beschuldigte ermittelt werden. Ein Erfolg, auch wenn die Zahlen alarmierend sind. „Deshalb braucht es geschultes Personal, um Missbrauch zu erkennen“, sagte Christel Sprößler. „Sich zum Anwalt der Kinder zu machen, ist Teil ihrer Aufgabe.“
Eine Aufgabe allerdings, die nicht leicht ist. Denn, so Tina Antoni: „Man kann eigentlich nicht sagen, wer die Täter sind. Das geht über alle Schichten. Aber Kinder, die nicht im normalen Maße betreut werden von zuhause aus, sind Außenseiter – und damit eher greifbar für Erwachsene.“ Es lohne sich, da genauer hinzuschauen. Die Täter suchen sich in der Regel einen Bezug zum Opfer. „In zwei Dritteln der Fälle kennen die Opfer die Täter“, sagte Antoni. Bei einem Verdachtsfall sollten die Pädagogen die Schilderungen des Kindes ernst nehmen und zuhören. Nachfragen könnten das Kind verunsichern. „Erstmal erzählen lassen“, sagte Antoni. Schuldzuweisungen seien dabei unbedingt zu vermeiden. Schließlich sollten sich die Tagespflegepersonen, Erzieherinnen und Erzieher oder Lehrerinnen und Lehrer Hilfe und Rat holen: beim Vorgesetzten, bei der Polizei oder beim Jugendamt des Landkreises Darmstadt-Dieburg. Von dort gab es später noch Tipps zu den juristischen Aspekten des Themenkomplexes.
Missbrauch könne überall passieren, erklärte Antoni – auch im Internet. „Es gibt welche, die gehen nach draußen – und welche, die Bilder anschauen“, sagte Antoni. Und um an diese Bilder zu kommen, nehmen sie auch über Chats oder Computerspiele Kontakt mit den Kindern auf, oft unbemerkt von deren Eltern. Aber auch diese tragen ihren Teil dazu bei, indem sie vermeintlich harmlose Urlaubsbilder auf Sozialen Medien veröffentlichen. „75 Prozent aller Eltern teilen Bilder ihrer Kinder im Netz. Das sind für andere Daten, die missbraucht werden können“, sagte Antoni. Eine gewisse Medienkompetenz sei also unerlässlich für die Kinder – und für die Eltern. Wichtig: Wer Bilder erhält oder Kenntnis davon erlangt, sollte keine eigene Beweissicherung betreiben, sondern am besten sofort die Polizei in Kenntnis setzen. Denn der Besitz und die Weiterleitung ist strafbar. Inzwischen können auch die IP-Adressen von Verdächtigen gespeichert werden. Wer also selbst ermittelt, könnte auch Besuch von der Polizei erhalten.
Der Kampf gegen Missbrauch ist seit 2022 an den Schulen auch institutionalisiert. Jede Schule muss ein Konzept gegen sexuellen Missbrauch erstellen. Von Sabine Ogrin vom Staatlichen Schulamt gab es Tipps, wie dieses Konzept erstellt werden kann. Ebenso wurde die Beratungsstelle Jugend und Medien Hessen vorgestellt. Bei einer Podiumsrunde wurden zum Schluss die Fragen der Teilnehmenden beantwortet.
„#Aktion Schutzschild“ heißt die Veranstaltungsreihe, die von der hessischen Polizei als Teil der Präventionskampagne „Brich Dein Schweigen“ unter der Teilmarke „Gemeinsam sicher für Kinder und Jugendliche“ veranstaltet wird – in Kooperation mit dem Hessischen Ministerium für Kultur, Bildung und Chancen, dem Hessischen Landkreistag, dem Netzwerk gegen Gewalt, dem Staatlichen Schulamt Darmstadt/Darmstadt-Dieburg, dem Deutschen Kinderschutzbund und dem Jugendamt des Landkreises Darmstadt-Dieburg.