Presse-Archiv 2023
Junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren sollen ab 2025 nicht mehr vom Jobcenter betreut werden
Steht das Jobcenter des Landkreis Darmstadt-Dieburg vor dem Aus?
20.07.2023
Darmstadt-Dieburg. Auf dem Papier klingt es erst einmal nicht schlecht: Der Bund spart 1,4 Milliarden Euro Steuern beim Bürgergeld, indem er Leistungsberechtigte zwischen 15 und 25 Jahren nicht länger von den 400 deutschen Jobcentern, sondern ab dem 1. Januar 2025 von der Bundesagentur für Arbeit (BA) betreuen lässt. Diese finanziert sich bekanntlich aus Sozialversicherungsbeiträgen. Daher ist die vermeintliche Ersparnis Augenwischerei: Was der Staat an der einen Stelle einspart, gibt er an der anderen Stelle wieder aus – vermutlich sogar noch mehr – finanziert durch die Beitragszahlenden der Arbeitslosenversicherung. Das trifft im Landkreis Darmstadt-Dieburg und in vielen weiteren hessischen Landkreisen auf breite Ablehnung.
Kritik auf breiter Front
In einem Brief weisen die hessischen Kommunalen Jobcenter deshalb darauf hin, dass der angedachte Zuständigkeitswechsel nur oberflächlich betrachtet ein sinnvoller Sparvorschlag: „Der Bund hat völlig überraschend angekündigt den kommunalen Jobcentern die Befugnisse sich um jugendliche Arbeitsuchende umfassend zu kümmern zu entziehen. Über viele Jahrzehnte aufgebaute Kompetenzen, regionale Netzwerke und bestehende Beziehungen werden damit über Nacht obsolet“, erläutert die Jugend- und Sozialdezernentin des Landkreis Darmstadt-Dieburg Christel Sprößler.
Individuelle Förderung aus einer Hand ist der Schlüssel zum Erfolg
Viele junge Menschen in den Jobcentern benötigen vor einem erfolgreichen Schulabschluss oder vor einer erfolgreichen Bewerbung ein intensives, ganzheitliches auf sie zugeschnittenes Coaching und nicht selten auch besondere, unterstützende Ausbildungsformen oder eine Ausbildungsbegleitung. Auch eine familienzentrierte Beratung kann ein Schlüssel zum Erfolg sein. Das alles gibt es in der Agentur für Arbeit so nicht.
In den Jobcentern dagegen gibt es für diese Zielgruppe eigene, spezialisierte Teams. Gemeinsam mit den jungen Menschen werden die für sie individuell passenden Maßnahmen auf dem teilweise mühevollen Weg vom Schulabschluss zu einer erfolgreichen Ausbildung und in eine nachhaltige berufliche Integration gefunden. Dabei werden sie von ihren persönlichen Ansprechpartnerinnen und – partner eng und vertrauensvoll begleitet.
Kommunale Jobcenter sind in ihrer Existent gefährdet
„Die gravierenden Mittelkürzungen im Bundeshaushalt sind absolut problematisch“, so Sprößler. „Sie werden dazu führen, dass gerade kleinere Jobcenter immer weniger arbeitsmarktpolitische Angebote oder berufsvorbereitende Qualifizierungen finanzieren können, weil sie ihre Kosten nicht ad hoc reduzieren können. Insgesamt wird wahrscheinlich das Netzwerk an begleitenden Angeboten weniger und damit zu Lasten der Menschen schlechter. In letzter Konsequenz könnte die Träger oder sogar das Jobcenter Darmstadt-Dieburg vor dem aus stehen“, warnt die Jugend- und Sozialdezernentin Christel Sprößler vor den geplanten Einschnitten.
Bürgergeld verspricht mehr Chancengleichheit
Nicht umsonst wurde mit dem vor einem halben Jahr beschlossenen neuen Bürgergeld die Ausweitung einer ganzheitlichen Beratung und damit verbundene Förderangebote gestärkt. Das Ziel ist die Chancengleichheit für junge Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu verbessern, sie als aktive Mitglieder der Gesellschaft teilhaben zu lassen und dadurch auch ihre vorhandenen Potenziale als zukünftige und dringend benötigte Arbeitskräfte zu nutzen.
Ein wesentliches Element einer erfolgreichen Integration für die benachteiligten jungen Menschen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist auch die enge, regionale Verzahnung, die langjährig aufgebauten Netzwerke der Jobcenter mit spezialisierten Maßnahmeträgern, Arbeitgebern, Wohlfahrtsverbänden und weiteren Akteuren. Dabei bietet das Jobcenter nicht nur die finanzielle Hilfe, sondern eben auch die für die Jugendlichen so wichtigen maßgeschneiderten Hilfen aus einer Hand, die es dann nicht mehr gäbe.
Mittel- und langfristig keine gute Entscheidung
Viele der Jugendlichen, die nicht selbst eine hohe Motivation und Durchhaltevermögen mitbringen, werden durch das grobe Netz der Agentur fallen und dadurch wesentlich länger oder sogar dauerhaft im Sozialleistungsbezug bleiben. Das ist nicht nur für die Betroffenen eine persönliche Katastrophe, sondern auch mittel- bis langfristig betrachtet, keine gesellschaftlich und finanziell zielführende Entscheidung. Ab Ihrem 26. Geburtstag sind dann wieder die Jobcenter zuständig.