Neuigkeiten zum Vergaberecht
Hier finden Sie aktuelle Vergabeentscheidungen und deren Handhabung. Sollten Sie Fragen hierzu haben, steht Ihnen die Zentrale Auftragsvergabestelle gerne zur Verfügung.
Neue Schwellenwerte ab 2024
Bauleistungen: 5.538.000 EUR (bisher 5.382.000 EUR)
Liefer- und Dienstleistungen: 221.000 EUR (bisher 215.000 EUR)
16.06.2023 - Auftragswertberechnung bei Planungsleistungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 16.06.2023 hat der Bundesrat über eine grundlegende Änderung des § 3 (7) VgV zur Schätzung des Auftragswerts bei Planungsleistsungen entschieden. Die bisher für Planungsleistungen geltende Sonderregelung, dass nur "für Lose über gleichartige Leistungen" die jeweiligen Auftragswerte für die Schätzung des Auftragswerts addiert werden müssen, wurde gestrichen.
Die Zentrale Auftragsvergabestelle hat bereits in der Vergangenheit dazu geraten, die Auftragswerte aller Planungsleistungen (Objektplanung, Tragwerksplanung, Haustechnikplanung, etc.) für die Auftragswertermittlung zu addieren, weil schon vor Jahren ein diesbezügliches Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet worden war. Die Rechtslage in Deutschland wird nun entsprechend angepasst, wobei die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt noch aussteht.
Der Schwellenwert liegt derzeit bei 221.000 € netto. Liegt die Summe der Honorare für Planungsleistungen darüber, ist (zukünftig auch gesetzlich geregelt) jede einzelne Planungsleistung europaweit auszuschreiben. Ausgenommen davon bleibt ein 20%-Kontingent (20% bezogen auf den geschätzten Gesamtwert aller Planungsleistungen), das national vergeben werden kann. Dabei darf die jeweilige Teilleistung einen Auftragswert von 80.000 € netto nicht überschreiten (§ 3 (9) VgV).
Die Zentrale Auftragsvergabestelle hält auch für die europaweite Ausschreibung von Planungsleistungen entsprechende Formularsätze bereit. Gerne beraten wir Sie zu diesen Verfahren und begleiten Sie bei der Durchführung.
18.05.2022 - Hinweis Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs
Da sich die Preise für die meisten Bauprodukte wieder stabilisiert haben, laufen die Sonderregelungen wie angekündigt zum 30. Juni 2023 aus. Eine weitere Verlängerung der Erlasse auf Bundes-, als auch auf Landesebenen - also auch in Hessen - wird es nicht geben.
Weitere Informationen finden Sie auf den Seiten der Auftragsberatungsstelle Hessen.
Am 01.09.2021 trat nun auch in Hessen die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) in Kraft. Dadurch wurde die bisherige Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) aufgehoben und durch die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ersetzt!
Ebenso wurde das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) überarbeitet und der Gemeinsame Runderlass zum öffentlichen Auftragswesen daher an die novellierte HVTG angepasst.
Somit gelten ab 01.09.2021 in ihrer neuen Fassung:
Urteile
März 2023: Preigleitklausel auch im Frühjahr 2023 ein "Muss"
Die Vergabekammer Lüneburg hat mit ihrer Entscheidung (VK Lüneburg, Beschluss vom 01.02.2023 - VgK-27/2022) die Rechtsprechung aus der jüngsten Vergangenheit fortgeführt: Zu einem wettbewerbsrechtlich fairen Verhalten gehört das Verbot der Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses. Die Aufbürdung eines solchen ungewöhnlichen Wagnisses liegt aktuell im Bereich „Bau“ vor, wenn ein öffentlicher Auftraggeber vom Bieter feste Preise für alle Positionen des Leistungsverzeichnisses einfordert, obwohl durch den russischen Angriffskrieg und die damit zusammenhängenden verhängten Sanktionen, erhebliche Veränderungen in der Bitumenversorgung bestehen. Nach der Entscheidung ist dieser Krieg als Ereignis anzusehen, das den Bietern auch noch im Frühjahr 2023 eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation ohne Preisgleitklausel unmöglich macht.
Keine eigene Produktangabe durch den Bieter: Das Leitprodukt ist einzubauen! OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2022 - 14 U 44/22
Enthalten die Vergabeunterlagen den Hinweis, dass das vom Auftraggeber vorgeschlagene Produkt Inhalt des Angebots wird, wenn Teilleistungsbeschreibungen des Auftraggebers den Zusatz „oder gleichwertig“ enthalten und - soweit abgefragt - keine Produktangaben gemacht werden, muss der Auftragnehmer bei der Ausführung der Leistungen das in der Ausschreibung benannte Produkt einbauen, wenn er bei der Angebotsabgabe auf die Nennung eines gleichwertigen alternativen Produkts verzichtet hat. Wird trotz des Verzichts auf die Nennung eines gleichwertigen alternativen Produkts bei Angebotsabgabe ein solches im Auftragsfall verbaut, stellt dies eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit des Werks und somit einen Sachmangel dar.
Betrieb eines Kindergartens ist öffentlicher Auftrag! OLG Jena, Beschluss vom 09.04.2021 - Verg 2/20
Auch wenn das Kindergartenrecht öffentlich-rechtlich geprägt ist, sind die Vergabenachprüfungsinstanzen und nicht die Verwaltungsgerichte zuständig, wenn Streit über die Auswahl des Betreibers besteht. Unerheblich ist auch, ob der zu erteilende Auftrag als privat- oder öffentlich-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist. Für die Vergabe von Verträgen über den Betrieb eines Kindergartens sieht das Vergaberecht keine Einschränkung seines Anwendungsbereichs vor. Der Betrieb eines Kindergartens unterfällt der Kategorie "Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens und zugehörige Dienstleistungen". Sieht sich der Betreiber des Kindergartens keinem Risiko ausgesetzt, seine Kosten nicht decken zu können, weil diese vom Auftraggeber vollständig ausgeglichen werden, liegt auch keine ausschreibungsfreie Dienstleistungskonzession vor. Dies hat das OLG Jena entschieden.
Quelle: ibr-online-Newsletter 24/2021 vom 09.07.2021
Zertifikate sind unternehmensgebunden! VK BundBeschluss vom 28.05.2020 VK 2- 29/20
Zertifikate sind unternehmensgebunden und nicht rechtsgeschäftlich übertragbar. Eine vom im geforderten Zertifikat genannten Unternehmen abgespaltene Gesellschaft "erbt" das Zertifikat dementsprechend nicht. Höchstpersönliche Rechte und Pflichten sind einem Übergang auf den Rechtsnachfolger nicht zugänglich. Das gilt auch für ISO-Zertifikate. Diese knüpfen an unternehmensinterne Strukturen und Abläufe an, die nicht ohne Weiteres vererbt werden könnten. Daher sind sie kein handelsfähiges Rechtsgut und einer Rechtsnachfolge grundsätzlich nicht zugänglich.
Thema: Beifügen von Datenblättern
Beifügte Datenblätter bestimmen Angebotsinhalt! VK Bund Beschluss vom 24.06.2019 – VK 1-31/19
1. Legt sich der Bieter bereits vor der Zuschlagserteilung in seinem Angebot auf ein konkretes Produkt fest, ist er in diesem Fall an dieses Produkt gebunden, denn dem Angebot beigefügte Datenblätter bestimmen den Angebotsinhalt und das zu liefernde Produkt.
2. Ein Produktdatenblatt, in dem mehrere technische Daten eines konkreten Produkts aufgezählt werden, ist so zu verstehen, dass der Bieter dieses Produkt mit sämtlichen darin genannten Daten anbietet.
Hinweis: Bei Einreichen von Datenblättern müssen die Bieter eine hohe Sorgfalt walten lassen. Es sind daher alle Angaben im Datenblatt auf ihre Übereinstimmung mit den Vergabeunterlagen zu kontrollieren. Datenblätter dürfen nicht ungeprüft dem Angebot beigefügt werden, wenn man nicht einen Ausschluss vom Vergabeverfahren riskieren möchte.
Nachgereichte Datenblätter fixieren Angebotsinhalt! VK Nordbayern Beschluss vom 06.10.2016 - 21.VK 3194-25-16
Die Einreichung von angeforderten technischen Datenblättern stellt grundsätzlich eine verbindliche Festlegung eines bisher noch nicht konkretisierten Angebotsinhalts dar.
Hinweis: Fordert ein öffentlicher Auftraggeber Details zu einem Angebot nach der Angebotsabgabe nach, so werden die entsprechenden Angaben des Bieters Teil des Angebots und konkretisieren dieses. Diese Konkretisierung kann der Bieter nicht später ändern oder rückgängig machen, da es sich ansonsten um eine unzulässige Nachverhandlung des Angebots handeln würde.
Risikoverteilung bei elektronischen Angebotsabgaben (VK Bund, Beschluss vom 29.05.2020 - VK 2-19/20; BT-Dr 18/7318, S. 193)
Zur Risikoverteilung von Fehlern bei der Abgabe elektronischer Angebote gilt: Bieter tragen die Beweislast dafür, dass sie ein verspätetes Hochladen und Zusenden der Angebote nicht verantworten.
Hinweis: Bieter sollten elektronische Angebote nicht erst „auf den letzten Drücker“ hochladen. Ein Nicht-Vertreten-Müssen einer verspäteten Angebotsabgabe ist in der Regel nur anzunehmen, wenn erwiesenermaßen eine von der Vergabestelle zu vertretende Fehlfunktion des elektronischen Systems vorliegt.
BGH: kein Angebotssauschluss wegen eigner AGB bei Abwehrklausel (BGH 18.06.2019 X- ZR- 86/17)
Grundsätzlich gilt, dass Änderungen oder Ergänzungen der Vergabeunterlagen durch Bieter unzulässig sind und zum Angebotsausschluss führen, gem. §§ 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV bzw. § 16 Nr. 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 VOB/A. Vom Ausschluss betroffen war bisher auch, wenn Bieter ihrem Angebot ein Begleitschreiben mit vom Vertragsentwurf des Auftraggebers abweichenden Angaben beifügten, etwa Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Ob der Bieter die AGB’s absichtlich beigefügt hatte, war nicht entscheidend. Der Bundesgerichtshof weicht mit Urteil vom 18.06.2019 X-ZR-86/17 von dieser Vorgabe ab. Er entschied, dass unter bestimmten Voraussetzungen Änderungen an den Vergabe- und Vertragsunterlagen durch den Bieter nicht zu deren Ausschluss führen. Darunter fällt vor allem das Beifügen einer Abwehrklausel in den Vergabeunterlagen des Auftraggebers. Diese soll gerade darauf abzielen, den Ausschluss von Angeboten der Bieter zu vermeiden, die u.a. eigene Vertragsklauseln beigefügt haben. Insoweit sind eigene AGB’s der Bieter oder Individualklauseln als „Missverständnis“ anzusehen. Weiterhin gilt jedoch, dass manipulative Änderungen auch künftig ohne vorherige Aufklärungspflicht des Auftraggebers zwingend zum Ausschluss führen. Solche Änderungen liegen etwa vor, wenn Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen fachlich abweichende Angebote abgegeben und bei Hinwegdenken der Abweichung kein komplettes und damit ein unannehmbares Angebot bleibt.
Hinweis: Eine entsprechende Abwehrklausel hat der Landkreis Darmstadt-Dieburg in seine Vergabeunterlagen bereits aufgenommen, um unnötige Ausschlüsse von Angeboten zu vermeiden.
HOAI Mindest- und Höchstsätze sind EU- rechtswidrig- EuGH Urteil vom 04.07.2019 (Az.: C-377/7)
Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil vom 04.07.2019 (Az.: C-377/7) die Vorgaben in § 7 Abs. 1 HOAI zur Einhaltung des Mindestsatzes sowie des Höchstsatzes als Verstoß gegen das EU-Recht angesehen. Durch dieses Urteil ist es Kommunen erlaubt, auch Angebote von Planern, die die HOAI Mindestsätze unterschreiten, anzunehmen.
Hinweis: Es steht daher jedem Bieter frei, auf den benannten Mindest-Honorarsatz einen prozentualen Abschlag zu gewähren ODER Zuschlag zu verlangen. Dies gilt sowohl bei Vergaben oberhalb wie unterhalb der EU-Schwellenwerte.
VK Hessen Beschluss vom 2. August 2018 - 69d - VK – 11/2018
a) Angebot ist mit allen seinen Anlagen als Einheit zu betrachten
Die im Vergabeverfahren eingereichten Angebote haben spiegelbildlich den sich aus den Vergabeunterlagen des Auftraggebers ergebenden Inhalt aufzuweisen. Darüber hinaus ist das Angebot mit allen seinen Anlagen als Einheit zu verstehen.
b) Änderung der Vergabeunterlagen
Der Begriff der Änderung an den Vergabeunterlagen gem. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ist weit zu verstehen, so dass gerade jede Abweichung von den Vorgaben des Auftragsgebers im Angebot eines Bieters als Änderung anzusehen ist. Wegen der zu gewährleistenden Vergleichbarkeit der Angebote spielt es keine Rolle, ob die vom Bieter vorgenommenen Änderungen zentrale und wichtige oder eher unwichtige Punkte betreffen; ebenso ist unerheblich, ob die Änderungen Einfluss auf das Wettbewerbsergebnis haben oder ob sie zum Vor-und Nachteil des Auftraggebers gereichen.
Angaben für die letzten drei Geschäftsjahre gefordert: Eintragung einer Null möglich!
VK Bund Beschluss vom 13. Juni 2014 - VK 1-34/14
Sieht ein Formblatt lediglich die Vornahme von getrennten Angaben für die letzten drei Geschäftsjahre vor, ohne dass eine Mindestmenge oder -anzahl erwähnt wird, ist auch die Eintragung einer Null möglich und für die Erfüllung der geforderten Angaben ausreichend.
Hinweis: Wenn also eine längere Marktzugehörigkeit (oder zum Beispiel mindestens drei Jahre) und damit Erfahrung gefordert wird, muss dies in der Bekanntmachung sowie in den Vergabeunterlagen definiert werden!
Der o. g. Beschluss wird durch den Beschluss der VK Sachsen vom 20.01.2017 - 1/SVK/030-16 gestützt.
Soweit der Auftraggeber von den Bietern verlangt, dass Angaben über den Gesamtumsatz bezogen auf die letzten drei Geschäftsjahre gemacht werden, entspricht dies der Vorgabe der Vergabeverordnung, wonach sich geforderte Erklärungen zum Umsatz auf die letzten drei Geschäftsjahre beschränken müssen. Daraus folgt nicht, dass ein Unternehmen bereits drei Jahre am Markt existieren muss, um als geeignet angesehen werden zu können.
Hinweis:
Wird in den Ausschreibungsunterlagen verlangt, dass mit dem Angebot mindestens drei Referenzen in Form einer Liste der in den letzten drei vergangenen Kalenderjahren erbrachten Leistungen mit Angabe des Auftragswerts, des Liefer- bzw. Erbringungszeitraums sowie des jeweiligen Auftraggebers vorzulegen sind, ist daraus nicht abzuleiten, dass ein Unternehmen schon mindestens drei Jahre existiert haben muss. Auch ein junges Unternehmen kann versuchen, den Auftraggeber mit einer Liste von Leistungen beispielsweise aus den letzten 18 Monaten davon zu überzeugen, dass eine hinreichende Erfahrung vorhanden sei.