Presse-Archiv 2002

Kreishaus wird 100 Jahre alt - Ausstellung

Wo einst der Landrat thronte und wohnte

02.05.2002

Dieburg - Es hat zwei Weltkriege weitgehend heil überstanden, 21 Kreisräte,Provinzialdirektoren und Landräte ausgehalten, drei Gebiets reformen überlebt und allen Auflösungstendenzen getrotzt, das Land ratsamt in Dieburg. Der stattliche Verwaltungsbau ist jetzt genau hun dert Jahre alt. Dieses Jubiläum, das zusammenfällt mit dem 25jährigen Bestehen des heutigen Landkreises Darmstadt-Dieburg, nimmt Landrat Alfred Jakoubek zum Anlass, in einer kleinenAusstellung die Ge schichte des Hauses Revue passieren zu lassen.
In den alten Mauern wehe heute ein moderner Geist, sagte er bei der Eröffnung.
Unbürokratischer Service und Bürgernähe hätten Amts schimmel und Obrigkeitsdenken längst verdrängt, die äußere Fassade, mit der Zeit schrumpelig geworden, präsentiere sich nach einer gründli chen Schönheitskur in tadelloser Frische. Ein bekanntes Phänomen gab es offenbar schon im vorletzten Jahrhundert: Verwaltungen neigen da zu, ständig zu wachsen. Die Administration des 1832 aus einer Fusion der Bezirke Reinheim und Dieburg entstandenen Kreises Dieburg saß ursprünglich in einem Gebäude in Marktplatznähe (es ist heute Teil des Rathauses), das bald aus allen Nähten platzte.
Nach längeren Vorverhandlungen erschien am 6. Februar 1900 eine Vertretung des großherzoglichen Ministeriums "betreffend der Erbau ung eines neuen Kreisamtsgebäudes dahier", besichtigte das in Frage kommende Gelände am Albinischen Schloss und schlug zu: Die Stadt musste dem Staat das Grundstück kostenlos überlassen und zudem ei nen Zuschuss von 6000 Mark zahlen. Mit der Planung beauftragte Großherzog Ernst Ludwig den "Baurath" Wilhelm Freiherr von Riefel. Schon wenige Monate später, am 19. Juni 1900, begannen die Bauar beiten. Typisch Dieburg, stieß man beim Erdaushub auf Historisches, förderte Reste von Zwingermauern und Brückenbögen zu Tage. Kurz vor der Fertigstellung kam es zu einem tragischen Unfall. 
Wie im Orts blatt nachzulesen, verunglückte ein Dachdecker tödlich. Am 5. Mai 1902 schließlich konnte der 150.000 Mark teure Neubau nach gut zwei Jahren Bauzeit der Öffentlichkeit übergeben werden.
Neugotische Formen schmücken die Fassaden, die durch ihre versetzte Anordnung und das Wechselspiel der Materialien - Naturbruchstein an den Mauern, Sandsteinleibungen an den Fenstern - einen besonderen Charme entwickeln. In dem mächtigen Gebäude befand sich außer den Büros der Staatsdiener auch die Dienstwohnung des Landrates, eine herrschaftliche Suite mit Balkon im ersten Stock, die bis in die fünfzi ger Jahre genutzt wurde. Nach 34 Jahren Betrieb erwies sich das schmucke Haus schon wieder als zu klein. Kurzerhand kaufte man deshalb der Stadt für 49.000 Mark die angrenzende Mädchenschule ab; das ist der Bereich, in dem heute Pforte und Warteraum angesiedelt sind. Danach folgten noch zwei weitere Erweiterung: 1962 der Bau eines sechsstöckigen Bürohauses, 1994 der Bau des jüngsten Trakts, der historische Bezüge berücksichtigt und im Untergeschoss durch ein Fenster zur Vergangenheit auf Originalmauern der mittelalterlichen Burg, die früher hier stand, blicken lässt.
Mühsam hat Dr. Peter Prüssing von der Denkmalschutzbehörde des Kreises die Geschichte des "Großherzoglichen Kreisamtsgebäudes" rekonstruiert, Archive nach Dokumenten durchforstet, bei heimatkundlich interessierten Dieburger Bürgern recherchiert. Viele Unterlagen, darunter ein Großteil der alten Bauakten, wurden bei einem Brand im Jahr 1960 unwiederbringlich vernichtet. Die zusammengetragenen Mosaiksteine, alte Zeitungsausschnitte, Postkarten und Fotografien, ergeben dennoch einen Eindruck vom Landratsamt im Wandel der Zeit. Bis zum 31. Mai ist die Ausstellung im gläsernen Durchgang des Kreishauses zu sehen.

db

 

 

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