Presse-Archiv 2001
Kreis führt mit Radlern Gutes im Schilde
Emanzipation des Fahrrads
20.02.2001
Darmstadt-Dieburg - Mehr als zwei Jahre haben sich Studenten und Verwaltungsmenschen buchstäblich abgestrampelt - jetzt kommt das landesweit erste systematisch aufgebaute regionale Schnellstreckennetz für Alltagsradler richtig in die Gänge. Insgesamt vierzehn neue Routen mit einer Gesamtstreckenlänge von rund 650 Kilometern wurden für den Raum Darmstadt und Darmstadt-Dieburg mit angrenzenden Gebieten ausgearbeitet und auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Für alle gelten die Attribute sicher, direkt und bequem. Zu Konzept gehört auch ein neues Kennzeichnungssystem, das dem Radverkehr nicht länger nur kleinformatige Markierungstäfelchen zubilligt, sondern dessen erhöhten Stellenwert mit großen weiß-grünen Schildern auch optisch zum Ausdruck bringt. Wie für den Kraftfahrzeugverkehr gang und gäbe, benennen die Tafeln unter anderem Entfernungen und die nächsten Zielorte. So springt künftig förmlich ins Auge, dass mit dem Stahlross vielfach Abkürzungen möglich sind, die eine Benzinkarosse nicht nehmen kann. Zum Beispiel sind es mit dem Rad von Wixhausen nach Messel sieben Kilometer, mit dem Auto aber zwölf und außerdem zwei Bahnübergänge zu überwinden, die der Pedaleur gar nicht passieren muss.
Mit dem Radwegnetz für den Alltag wolle man das Fahrrad aus der Sport- und Freizeitecke herausholen und verstärkt als Verkehrsmittel für den ständigen Gebrauch empfehlen, sagt Erste Kreisbeigeordnete Celine Fries. Unverhofften Rückenwind erhält die Initiative jetzt möglicherweise noch durch die neue Entfernungspauschale für Pendler, die von diesem Jahr an unabhängig von der Art der Fortbewegung angerechnet wird und Radler begünstigt.
Am Zustandekommen des regionalen Routennetzes waren viele beteiligt: Der Landkreis quasi als Lenker und Ritzel, die Fachhochschule Darmstadt als Copilot, die 23 Landkreisgemeinden sowie zwölf weitere Kommunen im Raum Groß-Gerau, Offenbach, Bergstraße, Odenwald und Aschaffenburg als Kette. 1998 wurde damit begonnen, aus einer Kombination von gut befahrbaren Feld-, Wald- und Wiesenwegen mit vorhandenen Radstreifen an Straßen Ideallinien für den Kurzstreckenverkehr per Fahrrad zu entwickeln. Computer und Pläne dienten dabei ebenso als Entscheidungshilfen wie Drahtesel. Erst nach der Sattelprobe fielen die endgültigen Entscheidungen. Sehr aufwendig gestaltete sich auch der Abstimmungsprozess mit den beteiligten Kommunen. Für die Bürger wird das Ergebnis jetzt sichtbar und nutzbar. Ende Februar beginnt die Kennzeichnung der ersten beiden Strecken. Die eine führt vom Luisenplatz in Darmstadt über Griesheim nach Oppenheim zur Rheinfähre Kornsand, die andere von Darmstadt-Eberstadt über Griesheim nach Groß-Gerau. Dafür liegen 27 so genannte Tabellenwegweiser, 12 Pfeil- und 29 Zwischenwegweiser, etliche Schellen und Rohrpfosten im Bauhof der Stadt Griesheim bereit. Innerhalb eines Jahres soll das komplette Netz ausgeschildert sein. Es reicht im Norden bis nach Langen, Rödermark und Dreieich, im Osten bis zum Main, im Süden bis Zwingenberg und tief in den Odenwald hinein nach Lautertal und Fränkisch-Crumbach. Material und Montage kosten insgesamt 444.000 Mark. Ihrem Steckenanteil entsprechend kommen die Gemeinden dafür auf. Jede für sich hätte keine Chance auf einen Landeszuschuss gehabt, ein legaler Trick ermöglichte es allerdings, den entsprechenden Fördertopf in Wiesbaden doch anzuzapfen: Mit einem gemeinsamen Antrag unter dem Kopf des Landkreises konnte die so genannte Bagatellgrenze umschifft und eine Beihilfe in Höhe von 60 Prozent der Summe erwirkt werden.
dp