Presse-Archiv 2002

Parlament vor dem Aufbruch in virtuelle Welten

Papierflut oder Datenschwall?

24.04.2002

Darmstadt-Dieburg - Für jede Kreistagssitzung werden rund 34.000 Blatt Papier umgewälzt. Aneinander gereiht ergibt das, bei sechs Sitzungen im Jahr, ein 612 Kilometer langes Band; nebeneinander gelegt könnte man damit 24 Sportplätze zudecken. Diese Drucksachenflut will Landrat Alfred Jakoubek stoppen. Mit dem ihm eigenen Reformeifer, dem schon einige alte Zöpfe wie das traditionelle Haushaltswesen zum Opfer gefallen sind, will der Verwaltungschef jetzt auch die Parlamentsarbeit auf Innovationskurs bringen. Ein computerunterstütztes Verfahren, Insider nennen das "Content- Management-System", soll Abläufe beschleunigen, Aufwand reduzieren und die Effizienz steigern.
Ein universell einsetzbares System gibt es aber - noch - nicht von der Stange, hier ist Maßarbeit gefordert. Deshalb wurde jetzt eine Arbeitsgruppe eingerichtet, der neben Landrat und Kreistagsvorsitzendem jeweils ein Mitglied der sechs Fraktionen, ein Vertreter des Kreisausschusses und Fachkräfte des Landratsamts angehören. Ihr Auftrag: Prozesse analysieren, ein Anforderungsprofil zeichnen und ein Handlungskonzept entwickeln. Zu berücksichtigen sind dabei im wesentlichen drei Sparten, nämlich die administrative Abwicklung des kommunalen Sitzungsdienstes, ein Ratsinformationssystem, das den Mitgliedern der parlamentarischen Gremien ermöglicht, auf relevante Daten zuzugreifen, und schließlich ein Bürgerinformationssystem, das der Bevölkerung Einblick in die Arbeit ihrer gewählten Vertreter erlaubt.
Im englischen Partnerdistrikt North East Derbyshire hat schon jeder Abgeordnete seinen Laptop. Das scheint gut zu funktionieren, erfuhr Jakoubek kürzlich bei einem Besuch auf der Insel.
Kreistagsvorsitzender Dr. Ralf-Rainer Lavies weist darauf hin, dass unter anderem zu klären sei, inwiefern sich die Arbeitsbedingungen, insbesondere für die Abgeordneten, tatsächlich verbesserten, ob die Kosten für Equipment, Schulungen, ständige Systemanpassung im Verhältnis zum Nutzen stünden, ob der Datenschutz gewährleistet sei. Es müssten Sicherungen eingebaut werden, damit beispielsweise nichtöffentlich zu behandelnde Angelegenheiten intern blieben und Abgeordnete nicht uneingeschränkt an Datensätze der Verwaltung gelangten. Ziemlich gemischte Gefühle beschleichen ihn bei der Vorstellung, dass Kandidaten für ein politisches Mandat in Zukunft womöglich einen "Computerführerschein" als Befähigungsnachweis vorlegen müssen. Diese Vision ist allerdings noch weit entfernt. Das derzeit im parlamentarischen Büro praktizierte Verfahren ist zwar aufwändig, funktioniert aber einwandfrei. Insofern steht die Arbeitsgruppe nicht unter Zeitdruck und kann die Computerisierung des Kreistags mit aller Sorgfalt und Ruhe vorbereiten.
db

 

 

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