Presse-Archiv 2002

Kreis bewertet sein "Raritätenkabinett" neu

Schutzmantel für Naturschönheiten

26.07.2002

Darmstadt-Dieburg - Nach einem Vergleich der Akten- und Gesetzeslage mit den tatsächlichen Gegebenheiten im Gelände sollen von derzeit hundert Naturdenkmalen 45 aus der Liste gestrichen werden.

Der Landkreis befreit seine Naturdenkmale von administrativem Mehltau.  Zugleich wollen die Fachleute im Dieburger Landratsamt 21 bisher nicht berücksichtigten Formationen den Status als außergewöhnliche "Einzelschöpfung" zuerkennen und ihnen aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen künftig besondere Aufmerksamkeit und Pflege angedeihen lassen. Welche Bäume und Büsche, Felsen und Dünen das Prädikat Kleinod verdienen, liegt allerdings nicht allein im Ermessen der Naturschutzbehörde. Dazu ist ein aufwendiges Verfahren nötig, das voraussichtlich etwa ein Jahr in Anspruch nimmt. Mehr als fünfzig Institutionen - unter anderem die Gemeinden, Jäger, Fischer, Bauern, diverse Ämter und Verbände - können zu den Vorschlägen Stellung nehmen. Am  ende entscheidet die Obere Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium Darmstadt. Das Naturdenkmalregister des Landkreises geht teilweise zurück auf Verordnungen aus den dreißiger Jahren. Das damalige, ideologisch verbrämte Reichsnaturschutzgesetz ist inzwischen längst überholt und von neuen Regelungen auf Bundes- und Landesebene abgelöst worden.

Die jüngste Novelle des Hessischen Naturschutzgesetzes trat im Juni dieses Jahres in Kraft. Unabhängig davon hat sich der Kreis bereits vor einiger Zeit daran gemacht, den zuletzt vor sechs Jahren bereinigten Bestand zu durchforsten und die Ausweisung von Naturdenkmalen neu zu ordnen. Eine Aktualisierung ist fällig, weil einige der einst herausragenden botanischen oder geologischen Raritäten längst ihren Glanz verloren haben oder ganz von der Bildfläche verschwunden sind.

Beispielsweise mussten die "Bettelbuche" in Lengfeld und eine altersschwache Rosskastanie am alten Rathaus in Hähnlein gefällt werden. Die "Hudeeiche" in Weiterstadt und die "Blutbuche in Pfungstadt-Hahn fielen Stürmen zum Opfer. Die geschützte Luthereiche am Babenhäuser Marktplatz steht zwar noch, ist aber von einem aggressiven Pilz befallen und nicht mehr zu retten. Der ebenfalls kranken Linde in Nieder-Klingen hat man die ehemals imposante Krone zum Bubi- Kopf zurecht gestutzt und ihr damit ein längeres Leben gegeben, den einzigartigen Charakter aber genommen. Alle diese Bäume gehören zu den Streichkandidaten im Verzeichnis der Naturdenkmale. Aspiranten für eine Neuaufnahme sind dagegen unter anderem Wacholdersträucher auf dem Neuberg in der Gemarkung Klein-Umstadt. Dabei handelt es sich um Relikte einstiger Heideflächen, die man im Landkreis fast nirgends mehr findet. Für schutzwürdig wegen ihrer Eigenart und Schönheit halten die Fachleute der Kreisverwaltung auch zwei mehr als 170 Jahre alte Eichenpaare in den Märzwiesen und in den Heckenwiesen von Lützelbach, so genannte Triftbäume, zu denen früher die Bauern ihre Schweine trieben, auf dass sie sich an Eicheln satt fraßen. Mit ihrer imposanten Erscheinung prägen die Bäume heute das Landschaftsbild und lassen manchen Ausflügler staunen. Noch eine Reihe weiterer Methusalems und Raritäten hätten es verdient, gewissermaßen amtlich geadelt zu werden, meint Dr. Wolfgang Heimer, der Chef der Naturschutzbehörde.

Viele Tipps für die geplante Neuausweisung von Naturdenkmalen hat die Behörde von Bürgern bekommen, denen daran gelegen ist, einen markanten Blickfang zu bewahren.
Einen entsprechenden Schutzmantel für Naturschönheiten stellt der neue Verordnungsentwurf des Landkreises dar. Danach sind alle Eingriffe verboten und mit Geldbußen bis zu 100.000 Euro bedroht, die ein Naturdenkmal zerstören, beschädigen, verändern oder nachhaltig stören.

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