Presse-Archiv 2003
Katasterämter: Kopfschüttelnde Mitarbeiter auf Umzugskisten
Operation unsichere Zukunft
17.12.2003
Darmstadt - Als "glatte Fehlentscheidung" bezeichnet Landrat Alfred Jakoubek die Absicht der Landesregierung, die südhessischen Katasterämter als zukünftige regionale Bodenmanagementbehörde ausgerechnet in Heppenheim, am äußersten Ende des großräumigen Zuständigkeitsgebiets, zusammenzuführen. "Diese Entscheidung läuft gegen die Interessen von Bürgern und Bediensteten und ist offensichtlich parteipolitisch gefärbt", glaubt Jakoubek. Zusätzlich pikant wird die Angelegenheit dadurch, dass die Katasterämter des Landkreises Darmstadt-Dieburg und der Stadt Darmstadt just in dieser Woche in ein gerade angemietetes neues Domizil, das "Europahaus“ in Darmstadt, umziehen. Mitte Januar kommen weitere Mitarbeiter aus Dieburg hinzu; die Außenstelle dort wird dann aufgelöst. Dass die neue Adresse wohl nur eine Zwischenstation sein wird, erfuhren die Beschäftigten am Dienstag aus dem Internet. "Wir sind geschockt und wissen gar nicht recht, ob wir die Kisten überhaupt auspacken sollen, sagt Amtsleiter Werner Pilz. Auch die zuständige Dezernentin, Erste Kreisbeigeordnete Celine Fries, fühlt sich regelrecht überrollt: "Der jetzt laufende Umzug kostet rund eine halbe Million Euro. Wenn die rund hundert Mitarbeiter tatsächlich in absehbarer Zeit erneut verlegt werden, hätte man das Geld sparen und für andere Zwecke sinnvoller verwenden können."
Jakoubek und Fries halten es jedoch aus vielerlei Gründen für abwegig, die künftige Hauptstelle für das Bodenmanagement in den Kreisen Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau und Offenbach sowie der Stadt Darmstadt in Heppenheim zu etablieren. Dort sei allenfalls ein Servicebüro sinnvoll, wie Wiesbaden es auch in den übrigen Landratsämtern vorsieht. Die Zentrale müsse jedoch sinnvollerweise an zentraler Stelle liegen - und das sei eindeutig Darmstadt. Die Voraussetzungen hier bezeichnen Jakoubek und Fries als "geradezu optimal". Abgesehen von der günstigen Lage und Verkehrsanbindung gilt der Mietvertrag für die gerade fusionierenden Katasterämter von Stadt und Kreis zehn Jahre. Im Europahaus in der Weststadt wäre darüber hinaus genügend Platz, um die für die neue Großbehörde vorgesehenen weiteren knapp 200 Mitarbeiter aufzunehmen. Der Vermieter jedenfalls biete die Option an und würde auch über günstige Konditionen mit sich reden lassen, weiß man im Darmstädter Landratsamt.
Auch solle die neue Mammutbehörde für "alles rund ums Grundstück“ (unter anderem Vermessung, eigentumsrechtliche Daten, Grundbücher, Kartenmaterial, Bewertung von Immobilien) dort angesiedelt sein, "wo am meisten passiert". Mit Abstand am lebhaftesten in ganz Hessen ist das Grundstücksgeschäft im Kreis Darmstadt-Dieburg (2002: 2995 Kaufverträge). In Darmstadt wurden im gleichen Zeitraum 1639 Verträge registriert, in den Kreisen Offenbach 2131, Groß-Gerau 1540, Bergstraße 1266 und Odenwald 1023. Auch hinsichtlich des Personals gebe es eine klare Präferenz: Die tägliche Anfahrtsstrecke der Beschäftigten würde sich im Vergleich zu den jetzigen Dienstorten beim zukünftigen Amtssitz Heppenheim um fast 20.000 Kilometer verlängern, bei einem Amtssitz Darmstadt nur um 10.000. Fries weist zudem darauf hin, dass die Katasterverwaltungen Darmstadt und Darmstadt-Dieburg in einem landesweiten Pilotprojekt als Vorbild für andere Behörde neue Steuerungsmodelle eingeführt habe und aufgrund ihres Erfahrungsvorsprungs in dem vorgesehenen neuen Konstrukt die Federführung übernehmen sollten.
In einem Schreiben an die Staatskanzlei haben Jakoubek und Fries ihre Argumente für Darmstadt als Bodenmanagement-Zentrale klar dargelegt und hoffen nun, dass die Verantwortlichen in Wiesbaden ihre Entscheidung nochmal überdenken.
db