Presse-Archiv 2003

Frauenbeauftragte kontra Sozialministerin

Streit um die "Wirklichkeit"

14.10.2003

Darmstadt-Dieburg - Als Frontfrau des Frauenforums Darmstadt-Dieburg hat Kreisfrauenbeauftragte Dagmar Zeiß Sozialministerin Silke Lautenschläger bei einer Fachtagung in Wetzlar die grenzenlose Empörung der vom Sparprogramm des Landes betroffenen Einrichtungen in der Region vorgetragen. "Unser Frauenhaus in Münster gehört zu den acht Zufluchtsstätten in Hessen, denen die gesamten Landesmittel gestrichen und damit existenzielle Grundlagen entzogen werden sollen", erklärt Zeiß.
Dramatische Einschnitte stehen auch den Frauenbildungszentren sefo femkom (Darmstadt) und Frauen für Frauen Groß Umstadt bevor, die seit ihrer Gründung mehr als 16.000 erwerbslosen Frauen beraten und bei der Qualifizierung unterstützt haben. Die angekündigten Kürzungen in einer Gesamthöhe von 155.000 Euro zwingen die jeweiligen Vorstände , zum Jahresende Personal zu entlassen, Räumlichkeiten abzugeben und ihr Kursangebot bis auf Weiteres einzufrieren.
"Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit", leitete Lautenschläger mit einem Zitat von Kurt Tucholsky ihre Rede über die Not wendigkeit der Sozialkürzungen ein und bot damit auch Barbara Akdeniz, der Darmstädter Frauenbeauftragten und Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros (LAG), eine Angriffsfläche. "Reden Sie auch von der Wirklichkeit der von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder ? Reden Sie von der Wirklichkeit erwerbsloser Mütter oder von der Wirklichkeit drogengefährdeter Jugendlicher? Diese Wirklichkeit hätte sich Ihre Politik ruhig auch mal betrachten können, Frau Lautenschläger!", ereiferte sich Akdeniz.
Margot Bernd vom Wetteraukreis, ebenfalls LAG Sprecherin, wünschte sich von der Hessischen Landesregierung eine "Lobby für Frauennetz werke", die sich nicht nur auf einen Tag im Jahr beschränkt, und spielte damit auf den vom Ministerium "zynischerweise" gewählten Titel der Fachtagung an. Die Streichung der Mittel für Orientierungskurse zum beruflichen Wiedereinstieg beinhalte die unfassbare Botschaft: " Frauen, bleibt am Herd!" Dagmar Zeiß verlas symbolisch drei Steckbriefe von den insgesamt rund 700 Frauen vor, denen ab 2004 hessenweit die Arbeitslosigkeit droht.
Die qualifizierten Fachberaterinnen sind bislang unter anderem beim Deutschen Kinderschutzbund, bei der Jugendberufshilfe, in Frauenhäusern , Jugend- und Familienberatungsstellen und in verschiedenen Frauenbildungszentren beschäftigt. Zum Abschluss der Kundgebung am Rande der Tagung überreichten Mitgliedsfrauen der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft in Wetzlar Ministerin Lautenschläger ein bedrucktes, fünf Meter langes Trauerband und bliesen Kerzen aus. Wie Dagmar Zeiß berichtet, bereitet die Planungsgruppe der Darmstadt Dieburger Frauenkommission derzeit verschiedene Aktionen vor, um sich vehement gegen die geplanten Sozialkürzungen des Landes zur Wehr zu setzen.
db/dz

 

 

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