Presse-Archiv 2004

Erfahrung und Erfolg belegen Kompetenz - Bewerbung um Optionsmodell

Kreis will Langzeitarbeitslose selbst betreuen

06.08.2004

Darmstadt-Dieburg - Der Landkreis will die Betreuung von Langzeitarbeitslosen vom kommenden Jahr an allein in die Hand nehmen. In einer Sondersitzung hat sich der Haupt- und Finanzausschuss des Kreistags am Freitag für eine Bewerbung zum so genannten Optionsmodell ausgesprochen. Die zwei Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen stimmten nicht zu, die CDU zeigte ein gespaltenes Abstimmungsverhalten: Vier waren dagegen, drei dafür. Landrat Alfred Jakoubek schickt die Bewerbungsunterlagen jetzt postwendend ans Hessische Sozialministerium in Wiesbaden, das entscheidet, welche Kommunen die Experimentierklausel in Anspruch nehmen können. Bundesweit sollen 69 Städte und Kreise zum Zuge kommen, in Hessen fünf, möglicherweise auch mehr. Die genaue Zahl legt die Bundesregierung am 15. September fest. Danach wird sich herausstellen, ob Darmstadt-Dieburg zu den ausgewählten Modellregionen gehört.

Der Landrat jedenfalls ist sicher, dass der Kreis die Aufgaben nach der Arbeitsmarktreform Hartz IV in eigener Regie besser lösen kann als in einer Arbeitsgemeinschaft mit der Agentur für Arbeit: "Wir haben mehr Erfahrung, sind näher am Klientel und bieten Leistungen aus einer Hand." Zudem würden verwirrende Doppelstrukturen und unnützer bürokratischer Aufwand vermieden. Allein von 1998 bis 2003 habe die Kreisverwaltung nahezu 3.700 Sozialhilfeempfängern eine berufliche Perspektive eröffnet und dadurch die Sozialhilfekosten deutlich reduziert. "Diese Vermittlungserfolge sind ein eindeutiger Beleg für unsere Kompetenz", so Jakoubek.

Erhält die Landkreisverwaltung die Zuständigkeit für das neue Arbeitslosengeld II und übernimmt somit außer den bisherigen Sozialhilfeberechtigten auch die bisherigen Arbeitslosenhilfebezieher, würde sich der Kreis der Betreuten auf schätzungsweise 6.300 Fälle (im amtlichen Sprachgebrauch "Bedarfsgemeinschaften") erhöhen und damit fast verdoppeln. Insgesamt rechnet Jakoubek mit knapp 8.600 erwerbsfähigen Hilfeempfängern - wobei als "erwerbsfähig" gilt, wer in der Lage ist, mindestens drei Stunden am Tag einer Beschäftigung nachzugehen. In Zweifelsfällen soll das Gesundheitsamt die Erwerbsfähigkeit überprüfen. Um das angestrebte Betreuungsverhältnis von 75 Fällen je Sachbearbeiter in der Arbeitsvermittlung und 140 zu 1 im Leistungssektor (Unterkunft, Lebensunterhalt usw.) zu erreichen, sind 129 Fachkräfte erforderlich. Folglich müsste das Sozialamt, wo derzeit 25 Mitarbeiter mit entsprechenden Aufgaben betraut sind, um 104 Stellen aufgestockt werden. Die Auswahl zum Modellkreis hätte auch Auswirkungen auf den geplanten Neubau auf dem Landratsamtsgelände in Kranichstein. Damit die notwendigen Büros eingerichtet werden können, soll das Gebäude dann nicht vier, sondern sieben Etagen umfassen, und die Baukosten würden sich von etwa 5,7 auf 9,8 Millionen Euro erhöhen. Jakoubek geht davon aus, das die in Aussicht gestellten Erstattungen des Bundes von rund 8,6 Millionen Euro jährlich den erhöhten Personal- und Verwaltungskostenaufwand decken.

Eine zusätzliche Belastung von mehr als zehn Millionen Euro im Jahr sieht Jakoubek jedoch - zumindest vorläufig - bei den Unterkunftskosten der Hilfeempfänger auf den Kreis zukommen. Mieten und Heizung hat der Kreis auf alle Fälle zu bestreiten, egal ob Optionsmodell oder Arbeitsgemeinschaft. Im Landratsamt kalkuliert man mit Gesamtausgaben von 20 Millionen Euro; der Bund erstattet nach jetzigem Stand knapp die Hälfte. Allerdings ist im Gesetz eine Revisionsklausel verankert. Danach wird am 1. März und am 1. Oktober überprüft, wie sich die Ausgaben entwickeln. Eventuelle Defizite - oder Zuvielzahlungen des Bundes - sollen zum Jahresende ausgeglichen werden. Jakoubek erwartet, das die Rechnung am Ende "bestenfalls null auf null" ausgeht.

zurück...