Presse-Archiv 2004

Protest: Land spart Verbraucherschutz zu Tode

Veterinäramt schlägt Alarm

20.07.2004

Darmstadt-Dieburg - Durch Haushaltskürzungen ist das Veterinäramt weitgehend lahm gelegt. Um wenigstens Miete und Strom für die Dienststelle im Haardtring in Darmstadt bezahlen zu können, sieht sich das Amt gezwungen, in den nächsten Monaten den Außendienst einzustellen. Das bedeutet: Lebensmittel- und Betriebskontrollen, Schlachttier- und Fleischuntersuchungen finden dann nicht mehr statt. "Ein Skandal" , empört sich Landrat Alfred Jakoubek. "Das Land spart den Verbraucherschutz in unverantwortlicher Weise zu Tode." In einem Brandbrief hat er das Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz mit dem Schreckensszenario konfrontiert und dringend einen Nachschlag gefordert. Jakoubek lehnt jede Verantwortung für das drohende Fiasko ab. Als staatliche Hauptabteilung ist das Veterinäramt zwar ihm zugeordnet, für die finanzielle Ausstattung hat jedoch das Land zu sorgen. Ohne Vorankündigung hat Wiesbaden das Budget für 2004, das vor wenigen Tagen zugewiesen wurde, gegenüber dem Vorjahr um 25.000 Euro auf rund 100.000 Euro gekürzt. Nach Abzug aller Fixkosten bleiben für den Rest des Jahres noch 4.000 Euro. Damit fehlen laut Jakoubek selbst für gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben die Mittel. Angesichts der prekären Situation hat das Veterinäramt, für das zwei Amtstierärzte, fünf Lebensmittelkontrolleure, eine Gesundheitsaufseherin und fünf Verwaltungskräfte sowie elf nebenberufliche Mitarbeiter in der Fleischuntersuchung tätig sind, ein drastisches Sparprogramm entwickelt. Ab sofort werden Telefongespräche auf das Nötigste reduziert, Handys nicht mehr benutzt, alle Schulungen gestrichen. Voraussichtlich ab Mitte August kommt der Außendienst zum Erliegen, weil dann das Geld für Benzin für die beiden Dienstwagen und Fahrtkosten der Prüfer, die Privat-Pkw dienstlich nutzen, aufgebraucht ist. Einsätze sind dann nur noch in Notfällen möglich. Die Überwachung unter anderem von Lebensmittelherstellern und Geschäften, von Bauernhöfen, gewerblichen Tierhaltungen und Zoogeschäften fällt flach. Hygienekontrollen in den vier Fleischzerlegefirmen mit EU-Zulassung, eigentlich Grundvoraussetzung für deren Betrieb, können nicht mehr wahrgenommen werden. Die ebenfalls zwingend vorgeschriebenen Tier- und Fleischuntersuchungen bei Hausschlachtungen (im Vorjahr immerhin 1753 Fälle) und in gewerblichen Schlachtbetrieben müssen unterbleiben. Wollen sie nicht illegal arbeiten, müssen die Firmen in der Folge mit wirtschaftlichen Einbußen rechnen - oder sich bereit erklären, die Prüfer hin und her zu chauffieren. Über diese Aussichten gerät auch Norbert Rijhnen vom Personalrat in Harnisch: " Das ist eine Bankrotterklärung des Landes Hessen." Geradezu grotesk mutet Jakoubek vor diesem Hintergrund die Aufforderung des Verbraucherschutz-Ministeriums an, die Einnahmen "deutlich zu steigern". Fünfundzwanzig Prozent mehr Geldbußen soll das Veterinäramt herein bringen. Das setze verstärkte Kontrollen voraus, was jedoch - mangels Benzingeld - nicht möglich sei. Zudem könnten Strafen nicht beliebig hoch gesetzt werden: "Das wäre Willkür". Die Vorstellungen in Wiesbaden bezeichnet Jakoubek teilweise als absurd und wirklichkeitsfremd. Als "Einnahmesoll" habe das Ministerium beispielsweise 310.000 Euro an Fleischuntersuchungsgebühren vorgegeben. Nach der Schließung eines Großschlachtbetriebs im Kreis sei in diesem Jahr tatsächlich allenfalls mit 130.000 Euro zu rechnen. "Wir können Metzger und Landwirte doch nicht zwingen, der Staatskasse zuliebe mehr Tiere zu schlachten." Selbst wenn es gelänge, die Einnahmen zu steigern, würde das dem Veterinäramt nicht aus dem gegenwärtigen Dilemma helfen: Alle Gebühren und Bußgelder fließen direkt dem Land zu.

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