Presse-Archiv 2004

Noch fehlen ALG II-Anträge - Run auf Kleidungsbeihilfen

Altes Landratsamt wird "Hartz-Zentrum"

01.12.2004

Darmstadt-Dieburg - Im früheren Landratsamt in der Rheinstraße 65 in Darmstadt eröffnet zum Jahresbeginn das "Hartz-Zentrum" des Landkreises. Für anderthalb Jahre, also bis zum 30. Juni 2006, hat der Kreisausschuss dort 2.600 Quadratmeter Fläche angemietet. Dann soll die "Kreisagentur für Beschäftigung", die sich künftig um Bezieher des Arbeitslosengelds II kümmert, planmäßig ihren endgültigen Sitz in einem Neubau neben dem Kreishaus in Kranichstein finden. Das klassische Sozialamt bleibt vorerst in Dieburg und zieht dann ebenfalls nach Kranichstein.

"Das alte Landratsamt ist eine bekannte Adresse, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen ist", begründet Landrat Alfred Jakoubek die Standortwahl. Im Mittel- und Altbau stehe genügend Platz für die bis zu hundert Fallmanager und Sachbearbeiter des Eigenbetriebs zur Verfügung, die Büros seien verkabelt und sofort nutzbar. Direkt am Eingang könne eine großzügige Servicestelle eingerichtet werden, die die Kunden in Empfang nimmt und zu dem für sie jeweils zuständigen Büro leitet. Miete zahlt der Kreis jeweils nur für die tatsächlich belegte Fläche, also anfangs nicht den vollen Preis, da das Beratungs- und Betreuungszentrum zunächst mit 45 Beschäftigten startet. Die Woche "zwischen den Jahren" (27. bis 31. Dezember) ist für den Umzug der ersten Mitarbeiter, die vom Sozialamt und der Beschäftigungsförderung kommen, vorgesehen. Der Personalbestand - und damit der Raumbedarf - vergrößert sich schrittweise in dem Maß, wie Empfänger des neuen Arbeitslosengelds II, die bisher von der Bundesagentur für Arbeit betreut wurden, in die Zuständigkeit der Kreisagentur wechseln. Beim Möbeleinkauf hat der Kreis nach Jakoubeks Worten eine günstige Gelegenheit ergriffen. Ein Unternehmen, das gerade seinen Firmensitz wechselt, hatte einen Großabnehmer für sein seitheriges Inventar gesucht. So erhält die jüngste Kreistochter eine komplette Büroeinrichtung, bestehend aus Schreibtisch, Rollcontainer, Bürostuhl und Sideboard, für rund 230 Euro, knapp ein Viertel des Neupreises. Die Telefonanlage, rund 40.000 Euro teuer, kann später nach Kranichstein mitgenommen werden. Die Hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger hat bereits ihren Besuch angekündigt. Sie will sich über das Kreiskonzept informieren und gleich ein "Firmenschild" für das Hartz-Zentrum mit der Aufschrift "Optionsmodell Hessen" mitbringen.

Beim Sozialamt im Kreishaus Dieburg herrscht derzeit Hochbetrieb wie nie zuvor. Neben dem üblichen Tagesgeschäft müssen dort unter anderem Fragebögen ausgewertet, Computerprogramme getestet, ein Berg von "Torschlussanträgen" bewältigt und der Umzug vorbereitet werden. Samstagsarbeit und Überstunden sind zurzeit die Regel. "Trotz der außerordentlichen Belastung sind die Beschäftigten enorm motiviert", lobt Jakoubek die Einsatzbereitschaft der Belegschaft. Die Leiterin der neuen Kreisagentur, Rosemarie Lück, hat alle Hände voll damit zu tun, die Feinstrukturen des so genannten Optionsmodells zu entwickeln - bei vielen noch unklaren rechtlichen, vertraglichen und finanziellen Fragen. Ihr zur Seite steht seit dieser Woche Roman Gebhardt, den der Kreisausschuss zum zweiten Betriebsleiter berufen hat. Der 41-jährige Oberamtsrat war bisher Sachgebietsleiter und EDV-Verantwortlicher beim Sozialamt.

Etwa 70 Prozent der insgesamt rund 3.500 arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger im Landkreis Darmstadt-Dieburg, die in Zukunft das neue Arbeitslosengeld II erhalten, haben bisher die entsprechenden Anträge gestellt. Das Sozialamt vermutet, dass die Zurückhaltung in der Hälfte der offenen Fälle daran liegt, dass die Betroffenen mit den Fragebögen nicht zurecht kommen oder Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben. Der Soziale Außendienst wird diese Leute in den nächsten Wochen aufsuchen und ihnen helfen. Die übrigen Säumigen riskieren, im Januar ohne Geld dazustehen und "werden sich wohl spätestens angesichts des blanken Kontos auf den Weg zur Kreisagentur machen", erwarten die Sachbearbeiter. Etliche Sozialhilfebezieher nutzen kurz vor Jahresende die letzte Gelegenheit, eine Beihilfe für besondere Anschaffungen mitzunehmen. Diese Sonderzahlungen fallen von 2005 an weitgehend weg, dafür liegen die monatlichen Sätze des ALG II höher als die derzeitige Sozialhilfe. So genannte einmalige Beihilfen gibt es dann nur noch für die ersten Wohnungseinrichtung, die Erstausstattung mit Kleidung einschließlich der Sondersituation bei Schwangerschaft und Geburt, außerdem bei mehrtägigen Klassenfahrten. Der aktuelle Ansturm richtet sich vor allem auf Sonderzahlungen für Winterkleidung. Noch werden dafür in der Regel 155 Euro bereit gestellt.

zurück...