Presse-Archiv 2004

Gänsen geht es an den Kragen - Frisch und lecker im Kreis der Genießer

Fleisch im Topf, Federn unterm Kopf

29.10.2004

Darmstadt-Dieburg - Die Gallier sind schuld, dass viel Federvieh zum 11. November hin ins Gras beißt und in die (Brat)Röhre guckt. An diesem Datum, dem Martinstag, beginnt die Saison des Gänsebratens. Dabei war der Mann, dem der Gedenktag gewidmet ist, der Völlerei völlig abhold. Der Heilige Martin - zu Ruhm und Ehre gelangt, weil er seinen Mantel mit einem Bettler teilte - steht vielmehr für Güte, Bescheidenheit und Askese. Der 11. November markierte jedoch in Gallien zugleich den Anfang der Fastenzeit, und davor schlachtete man die gemästeten Schnabeltiere im Stall und schlug sich den Bauch nochmal ordentlich voll. Diese "Terminüberschneidung" führte dazu, dass seitdem am Martinstag die Martinsgans auf den Tisch gehört.

Die Tradition hat sich über Jahrhunderte hinweg bis heute gehalten. Im Landkreis Darmstadt-Dieburg sind die Züchter gut vorbereitet auf die nachfragestarke Zeit. Auf den Höfen der Familien Mann in Groß-Zimmern und Strauß in Reinheim-Georgenhausen schnattern an die 700 weiße Watschler arglos ihrem Ende entgegen, weitere geben sich auf dem Falkenhof in Pfungstadt dem schönen Nichtstun bei zupffrischem Gras, Rüben und Getreideschrot hin. Im Frühjahr als so genannte Eintagsgänse oder im Alter von fünf bis sechs Wochen aus Brütereien geholt, konnten sie sich einen Sommer lang mit vollwertiger Kost und viel Bewegung an der frischen Luft der Idealfigur entgegen futtern. Die Freilandhaltung bringt ordentlich Muskeln und ein "optimales Fett-Fleisch-Verhältnis". "Das schmeckt man", versichert Friedrich Strauß, der sich als Züchter und Vorsitzender des hessischen Verbands der Geflügelwirtschaft damit auskennt. Die Preise für deutsche Weidegänse sind seit Jahren stabil und bewegen sich zwischen acht und 9,50 Euro pro Kilo. Eine Gans, küchenfertig vorbereitet, wiegt etwa vier bis fünf Kilogramm und reicht für fünf bis sechs Personen. Ganze Tiere werden seit einer Weile weniger verlangt, der Trend geht hin zu Keule und Brust. In Deutschland liegt der Pro-Kopf-Verbrauch bei rund 300 Gramm im Jahr mit leicht steigender Tendenz. Ein hoher Anteil gefrorener Importware aus Polen und Ungarn lässt erkennen, das vielen Leuten der Preis wichtiger ist als Qualität und Aufzuchtbedingungen.

Ganz köstlich kann man Gans zubereiten, nach unzähligen Rezepten. Züchter Mann beispielsweise schwört auf die Reinform, gewürzt nur mit Salz, Pfeffer und Bohnenkraut oder Beifuß, dazu Maronen, Rotkraut und Kartoffeln. Zahlreiche Gasthäuser, die sich an der Aktion "Frisch und lecker" in Darmstadt-Dieburg, dem "Landkreis der Genießer" beteiligen, warten in den nächsten Wochen mit Sonderkarten auf und servieren virtuose Kompositionen. Richters Restaurant Georgi in der "Geflügelhochburg" Groß-Zimmern etwa hat zu Martini folgendes Gourmet-Menü zusammengestellt: Savarin von der Gans auf Salat von Tellerlinsen, Maronensamtsuppe, dann Scheiben von der Gänsebrust auf Zimt-Kakao-Sauce mit Strudel von jungem Rotkraut und Schupfnudeln, zum Abschluss Schokoladenhalbgefrorenes auf Espressocreme und dazu Zither-Musik, live gespielt.

Was übrig bleibt bei den Züchtern, wenn die nackten Gänse aus dem Haus sind, ist keineswegs Abfall, sondern wird zum Quell der Behaglichkeit umgemünzt. Nach dem Rupfen wandert das Daunen- und Federkleid, gereinigt und sauber sortiert, in die Kissen- und Bettdeckenproduktion. Eine Gans liefert rund hundert Gramm Füllstoff. Da kann man sich ausrechnen, wie viele Flattermänner nötig sind, das müde Haupt sanft ruhen zu lassen.

Einkauf- und Einkehrtipps

Geflügel ab Hof (Vorbestellung ratsam)

- Harro und Klaus Mann, Groß-Zimmern, Brunnerstraße 20, Telefon 06071/41473 (auch Federbetten)

- Landlädchen Strauß, Reinheim-Georgenhausen, Dörnbachstraße 10, Tel. 06162/4058

- Falkenhof, Familie Renner, Pfungstadt, Außerhalb, Tel. 06157/990230.

Veranstaltungen

- "Martin lässt grüßen", Spezialitätenmenü mit Zither-Musik am Freitag, 12. November, 19.30 Uhr, bei Richters Restaurant Georgi, Groß-Zimmern, Bahnhofstraße 7, Tel. 06071/41279

- "Martinsgans-Weihnachtsgans" Sonderausstellung im Museum Veste Otzberg bis Ende November, Tel. 06162/71114; dort am 5. Nov., 20 Uhr, "Vom Gänsewein, der Schneegans und vom Gänsfüllsel", Anekdoten mit Schmalzbrot; am 12. Nov., 19 Uhr, Vortrag "Kulturgeschichte der Esskastanie" - zum Beispiel als Gänsefüllsel; in der Burgschänke auf Bestellung für Gruppen Gänseessen, Tel. 06162/72274.

zurück...