Presse-Archiv 2005
Kreis stoppt dubiose Werbeveranstaltungen
Gelockt und abgezockt
13.10.2005
Darmstadt-Dieburg - Das Gewerbeamt des Kreises hat am Mittwoch einem zwielichtigen Verkäufer zweimal die Tour vermasselt. Er hatte offenbar vor, älteren Leuten minderwertige Wolldecken und Digitalkameras teuer aufzuschwatzen. Seine Rechnung ging jedoch nicht auf, weil Empfänger der zuvor verschickten Einladungen zur großzügigen Bewirtung in Lokalen in Dieburg und Pfungstadt argwöhnisch im Rathaus nachgefragt hatten, ob da nicht irgend ein Haar in der Suppe sei.
Aufgrund dieser Hinweise tauchten morgens in der Dieburger Gaststätte, wo gerade rund zwanzig ältere Damen und Herren beim Gratis-Frühstück auf "Super-Schnäppchen" eingestimmt wurden, als Überraschungsgäste Mitarbeiter des Landratsamts auf. Bei dieser Behörde hätte das "Wanderlager", so der rechtliche Begriff für derartige Verkaufsveranstaltungen oder Kaffeefahrten, angemeldet werden müssen. Dies hatte der 34 Jahre alte Propagandist aus Bremen jedoch versäumt. Selbst bei entsprechender rechtzeitiger Mitteilung wäre das Treiben untersagt worden, heißt es aus der Kreisverwaltung, denn für derartige Geschäfte darf laut Gewerbeordnung nicht mit dem Versprechen von unentgeltlichen Zuwendungen oder Gewinnen geworben werden. Genau mit diesem Trick aber waren die "ausgewählten" Teilnehmer in Dieburg geködert worden. Unverrichteter Dinge musste der junge Mann sein Wanderlager einpacken.
Dass er sich mit dem Auftritt ein Bußgeld eingebrockt hatte, beeindruckte ihn offenbar nicht sonderlich. Nur ein paar Stunden später stand er in Pfungstadt vor einer Gruppe von rund 15 Personen und rührte wieder die Werbetrommel. Gleiche Masche, gleiche Ware, nur ein anderer Lockvogel: Schweineschnitzel mit Beilagen. Auch die zweite Veranstaltung wurde amtlicherseits beendet und ein weiteres Bußgeld angekündigt. Die Höhe wird noch festgelegt, der Rahmen bewegt sich zwischen 200 und 8000 Euro.
Kaffeefahrten, Gewinnspiele und ähnliche Veranstaltungen mit verheißungsvollen Preisen und Geschenken haben in der Vorweihnachtszeit Hochsaison, weiß man im Landratsamt. Dahinter steckten oft dubiose Firmen, die darauf spekulierten, dass den Leuten vor dem Fest das Geld recht locker sitzt, weil sie sich oder ihren Lieben etwas Besonderes gönnen wollen. Vor allem ältere Leute würden als leichte Beute angesehen und entsprechend bevorzugt angeschrieben oder telefonisch kontaktiert. Höchste Vorsicht sei angebracht. Vielleicht bekommt man tatsächlich den "Riesen-Schlemmerkorb im Wert von 50 Euro". Die Waren, die darin stecken, seien aber vielleicht ein Zehntel wert und man werde - bestenfalls - von einem Redeschwall überzogen, bis man schließlich die "Magnetfelddecke", die Kamera, Töpfe, Salben oder Nahrungsergänzungsmittel zu astronomischen Preisen kauft. Gern zielten die durchsichtigen Heilsversprechen auf Gesundheit, Frische und "ewige Jugend".
Im vorigen Jahr sind solche Machenschaften größeren Stils beispielsweise in Griesheim aufgeflogen. Dort wurden in einem Lokal über hundert Leute stundenlang massiv bearbeitet von einem "Einpeitscher", der die Gäste mit lauten Trommelschlägen wachrüttelte, sobald sie Müdigkeitserscheinungen zeigten. Mit einer Mischung aus Bezirzen und Beschimpfen versuchte man, "Massagestühle mit hervorragender Wirkung bei Diabetes, hohem Blutdruck, Rheuma und anderen Zipperlein" an den Mann und die Frau zu bringen. Die Aktion wurde gestoppt und - nach einer Widerspruchsverhandlung beim Amtsgericht Darmstadt - mit Bußgeldern in Höhe von zusammen rund 1800 Euro geahndet.
Kein Einzelfall, aber einer der wenigen, die im Landratsamt überhaupt bekannt werden. Die Behörde ist weitgehend auf Hinweise angewiesen, um einschreiten zu können. Wer also verdächtig verlockende Einladungen in seinem Briefkasten findet oder von einer freundlichen Telefonstimme etwa zur "Gewinnabholung" aufgefordert wird, sollte beim Ordnungsamt seiner Gemeinde oder im Landratsamt (Telefon 06071/8811333) anrufen. Auch Gaststättenbetreibern rät das Gewerbeamt, entsprechende Reservierungen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu melden. Sonst könnten am Ende auch sie zu den Geprellten gehören.