Presse-Archiv 2005

Kreisjurist Weiß geht in Ruhestand

Von Berufs wegen streitbar

09.02.2005

Darmstadt-Dieburg - Für Steffen Weiß, den Leiter des Rechtsamts in der Kreisverwaltung Darmstadt-Dieburg, ist am Freitag (18.) Ultimo. Dann beginnt für den 63-Jährigen die Freistellungsphase im so genannten Altersteilzeit-Blockmodell und damit der Ruhestand. 32 seiner insgesamt 37 Dienstjahre stand der Jurist an der Spitze des Rechtsamts - nach Studium an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt und Zwischenstopp beim Regierungspräsidium Darmstadt. In annähernd 5.000 Klageverfahren, zumeist wegen Bau-, Natur- und Denkmalschutzangelegenheiten, vertrat er die Interessen des Kreises, ebenso in etwa 6.000 Streitfällen, die im Anhörungsausschuss landeten, fertigt außerdem einige tausend Gutachten und rechtliche Stellungnahmen für Fachabteilungen der Kreisverwaltung. Wohl die Hälfte seiner Arbeitszeit verbrachte Weiß bei Verwaltungs-, Arbeits- und Amtsgerichten in Darmstadt und Dieburg sowie beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel, der Berufungsinstanz. Landrat Alfred Jakoubek bezeichnet den Leitenden Rechtsdirektor als streitbar und kämpferisch, wo nötig, aber auch ausgleichend und kompromissbereit, wo möglich. Mit einer Erfolgsquote von um die 85 Prozent erwiesen sich Weiß’ Plädoyers zumeist als überzeugend - was er selbst bescheiden darauf zurück führt, dass die angegriffenen Ämter mit rechtlich fundierten Bescheiden entsprechend gute Vorarbeit leisteten. Als Phase mit besonders kniffligen Aufgaben bezeichnet Steffen Weiß die Gebietsreform 1977. Als der Landkreis Darmstadt-Dieburg gegründet und bis zur ersten Kommunalwahl ein "staatsbeauftragter Kreistag" eingesetzt wurde, seien viele unklare Verfahrensfragen zu lösen gewesen. Damals habe man sich an das Prinzip "vernünftig und praktikabel" gehalten und sei gut damit gefahren. Seine spektakulärsten und aufregendsten Fälle endeten zwar mit Niederlagen, setzten aber Veränderungen in Gang, die am Ende doch als indirekter Erfolg verbucht werden konnten. Da ist einmal der Prozess gegen "die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Verteidigungsminister" in den neunziger Jahren zu nennen, mit dem der Kreis militärische Tiefflüge mit den Waffen der Argumente torpedierte. Das Gericht maß der Landesverteidigung einen höheren Stellenwert als den Individualinteressen der Bürger bei. Die Auseinandersetzung wirbelte jedoch so viel Staub auf, dass die Bundeswehr alsbald ihre Übungsflüge von der Bergstraße in die Goose Bay in Kanada verlegte. Nicht durchzusetzen war auch Mitte der Neunziger die von Darmstadt-Dieburg und Nachbarkommunen betriebene Stilllegung von Block A des Kernkraftwerks Biblis, aber immerhin musste der Betreiber infolge des Prozesses sicherheitsrelevante Anlagenteile nachrüsten, erzählt Weiß aus seinem nie langweiligen Arbeitsleben.

Auch im Ruhestand läuft der sportliche Darmstädter kaum Gefahr, zum Couch Potatoe zu werden: Als erstes reist er mit seinen Kickerfreunden ins Walsertal, dann mit Ehefrau nach Florida. Im April wird das erste Enkelkind erwartet, am Haus ist einiges zu erledigen und Golfen will der begeisterte Fußball- und Tennisspieler auch noch lernen.

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