Presse-Archiv 2005

Klientenzahl steigt und steigt - Finanzielle Absicherung hat Vorrang

Hartz mit Dampf im Kessel

15.03.2005

Darmstadt-Dieburg - Kinderkrankheiten der Arbeitsmarktreform Hartz IV machen der Kreisagentur für Beschäftigung (KfB), die im Landkreis Darmstadt-Dieburg für alle Bezieher des neuen Arbeitslosengelds II zuständig ist, zu schaffen. Etliche rechtliche Fragen, hoher Beratungsbedarf, aufwändige Prüfungen, Widersprüche, die schrittweise Übernahme von Klienten und Akten der Bundesagentur für Arbeit, Abstimmungsprobleme mit Krankenkassen und weit über Erwarten hohe Fallzahlen - dies alles sorgt für mächtig Druck im Kessel. "Wir stecken noch mitten in einer schwierigen Übergangsphase", sagt Rosemarie Lück, die Leiterin der KfB.

Für sie und ihre inzwischen auf 82 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsene Mannschaft komme es zunächst vorrangig darauf an zu gewährleisten, "dass die Leute jeden Monat ihr Geld bekommen und damit erst einmal finanziell abgesichert sind". Gleichwohl laufen parallel bereits Schulungen, um Stellensuchende für kommende Aufgaben fit zu machen, und man geht verstärkt daran, Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie Ein-Euro-Jobs zu akquirieren.

Wie viele Kunden das neue Hartz-Zentrum in der Rheinstraße in Darmstadt letztlich zu betreuen haben wird, kann momentan niemand zuverlässig sagen. Ständig müssen die Zahlen nach oben korrigiert werden. Nachdem allein im Januar und Februar überraschenderweise mehr als 900 Einzelpersonen und Familien, die bisher weder bei der Arbeitsverwaltung noch beim Sozialamt gemeldet waren, ALG II beantragt haben, sieht die Kreisagentur in ihrer jüngsten Schätzung insgesamt rund 8.000 Bedarfsgemeinschaften auf sich zukommen - das sind 23 Prozent mehr als noch im Herbst angenommen. Hinter dem Begriff Bedarfsgemeinschaft stecken meist mehrere Personen; im statistischen Mittel geht man von 1,9 Erwerbsfähigen je Bedarfsgemeinschaft aus. Die Sachbearbeiter im Hartz-Zentrum bemerken vor allem auf Seiten der bisherigen Bezieher von Arbeitslosenhilfe ein "erhöhtes Aggressionspotenzial". Für diese Männer und Frauen bedeutet die Arbeitsmarktreform zumeist finanzielle Einbußen. Außerdem empören sich viele darüber, "regelrecht die Hosen runter lassen" zu müssen. Offen zu legen sind beispielsweise Kontoauszüge der letzten drei Monate, eventuelle Mieteinnahmen und Zinsen, Vermögenswerte und Wohnverhältnisse. Mindestens im Halbjahresturnus wird die Bezugsberechtigung erneut überprüft. Mitunter sind schon früher Folgeanträge zu stellen, weil die Bundesagentur ihrer zum Kreis abwandernden Klientel Leistungen teilweise nur für drei Monate gewährt hat. Dazu kommen schwer verständliche Gesetze, erste Klagen und Gerichtsurteile. "Jeder Fall ist ein besonderer Fall und bedarf einer individuellen Betrachtung", unterstreicht die Leiterin der Kreisagentur. Ein schwieriges Geschäft. Rund 150 Widersprüche sind bisher bei der KfB eingetroffen; 85 Prozent richteten sich gegen ALG II-Bescheide der Bundesagentur für Arbeit, 15 Prozent gegen Berechnungen des Kreissozialamtes. Von der Bundesagentur für Arbeit in Darmstadt hat die Kreisagentur bisher rund 1300 Fälle übernommen, weitere etwa 2200 folgen bis zur Jahresmitte. Das klappt nach Lücks Worten relativ gut.

Als eigenständige Personalvermittlungsstelle muss sich das Hartz-Zentrum erst noch etablieren. Dazu will sich der neue Eigenbetrieb des Kreises weiträumig bekannt machen, Strukturen und Angebote schaffen, Qualifizierungsmaßnahmen ankurbeln. Einiges läuft bereits. Arbeitssuchende werden etwa mit Deutschkursen, Trainings für Bewerbung und Vorstellungsgespräch oder Orientierungskursen eigens für Berufsrückkehrerinnen gefördert. Gerade hat eine Schulung für Frauen und Männer begonnen, die sich in der Spargelsaison ab Mitte April als Fahrer und Verkäufer verdingen wollen. Rund fünfzig Ein-Euro-Jobs unter anderem in Schulen, Kindergärten, Seniorenheimen, auch bei Bauhöfen und im Gericht sind zurzeit besetzt. Die ersten Handwerks- und Produktionsbetriebe haben, angereizt durch Eingliederungszuschüsse in Höhe von 150 bis 350 Euro monatlich, neue Kräfte unbefristet eingestellt. Mit einem "Mailing", Info-Flyern und anderen Werbemaßnahmen, die demnächst anlaufen, will sich die Kreisagentur bei Unternehmen als zuverlässiger und kompetenter Partner bei der Personalsuche empfehlen.

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