Presse-Archiv 2008

Immer noch Probleme beim baugenehmigungsfreien Verfahren

Unebenheiten am Bau

02.07.2008

Darmstadt-Dieburg - Es ist zwar für Bauherren verlockend, unter Berücksichtigung bestimmter Voraussetzungen genehmigungsfrei bauen zu können, doch die Erfahrung bei der Bauaufsicht des Landkreises zeigt, dass längst nicht alles so glatt läuft wie erhofft. Eine Änderung der Hessischen Bauordnung im Jahr 2002 sollte ein gutes Stück Verlagerung der Verantwortung in den privaten Bereich bringen und zur Reduzierung behördlicher Kontrolle führen. Doch das so genannte Freistellungsverfahren birgt, auch sechs Jahre nach seiner Einführung, noch ausreichend Problematik. "Noch immer entsprechen 50 bis 60 Prozent der eingereichten Verfahren nicht den gesetzlichen Vorgaben", berichtet Kreisbeigeordneter und Baudezernent Christel Fleischmann. Das erstrebenswerte Ziel - Abbau von Genehmigungsverfahren und damit eine Entlastung der Behörden sowie eine rasche Durchführung des Bauvorhabens - sei daher nur sehr bedingt erreicht worden.

Grund dafür ist, dass Bauherren und Bauvorlageberechtigte oft nicht in vollem Umfang erkennen, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, um ein baugenehmigungsfreies Vorhaben umzusetzen. Dies liegt nach Ansicht der Bauaufsicht des Landkreises an den oft sehr komplexen Bauleitplänen mit verschiedenen Festsetzungen sowohl planerischer, gestalterischer und bauordnungsrechtlicher Art. Wird dann nur nur eine einzige Festsetzung nicht eingehalten, müsste eigentlich ein Bauantragsverfahren eingeleitet werden.

Laut Baudirektor Wolfgang Klos geht außerdem der Trend der "kleinen Häuslebauer" zum Fertig- oder Systemhaus, da hier eine kurze Bauzeit und eine schnelle behördliche Realisierung locken. "Die Quote dafür liegt bei rund 70 Prozent der eingereichten Verfahren im Ein- und Zweifamilienhaussektor", teilt Klos mit. Er verweist jedoch darauf, dass hier häufig private Bauherren mit Bauvorlageberechtigten aus ganz Deutschland zusammen arbeiten, die nicht immer mit den Bauvorschriften in Hessen vertraut und weit weg vom Geschehen sind. Eine besondere Problematik bringen die hohen Grundstückspreise im Rhein-Main-Gebiet mit sich. Sie führen dazu, dass Bauland größtmöglich ausgenutzt wird und die Vorgaben des Bebauungsplans, beispielsweise zur Grundflächen- und Geschossflächenzahl, mehr als zulässig ausgereizt werden. "Da jonglieren die Bauvorlagenberechtigten mit jedem Quadratmeter", weiß Wolfgang Klos.

Wenn dann etwas schief geht, sind die Bauherren die Leidtragenden. Sie werden letztendlich zur Verantwortung gezogen. "Eine Verantwortung, die sie oftmals nicht leisten können", so Kreisbeigeordneter Christel Fleischmann. Auf sie zukommende Kosten für geänderte Planungen, Einreichen eines Bauantrags, Ordnungswidrigkeitsverfahren und verzögerte Bauzeiten können dann in vielen Fällen schwer vom Architekten oder Bauträger zurück gefordert werden. Hilfe wird dann oft bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bauaufsichtsbehörde gesucht, die aber eigentlich gar nicht beratend tätig sein darf. Bauherren und insbesondere auch Käufer von Wohnungseigentum sind deshalb gut beraten, wenn sie sich vor Abschluss des Kaufvertrags von fachlicher Seite die Übereinstimmung des Bauprojekts mit den Festsetzungen des Bebauungsplans bestätigen lassen. Die Bauaufsicht des Landkreises sieht sich zunehmend in eine Vermittlerrolle gedrängt, die eigentlich vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist. Der Spielraum der Bauaufsicht beschränkt sich nur auf die vorgesehenen Regularien wie Baueinstellung, Nutzungsverbot oder - im schlimmsten Fall - die Beseitigungs- oder Rückbauanordnung. Durch regelmäßige Informationsveranstaltungen, gemeinsam mit der entsprechenden Behörde der Stadt Darmstadt, soll zumindest mit den ortsansässigen Bauvorlagenberechtigten versucht werden, einen einheitlichen Wissensstand zu schaffen und neue Rechtssprechungen zu kommunizieren.

Um den Gleichheitsgrundsatz im Geltungsbereich der Bebauungspläne zu wahren, müssen auch die Gemeinden nach Aussage der Bauaufsicht des Kreises bei der Erteilung von Befreiungen sehr restriktiv vorgehen und Befreiungsgründe akkurat überprüfen. "Ob dies im Sinne der verfassungsrechtlich verbürgten Baufreiheit ist, die ja eine weitestgehende Einschränkung und Kontrolle des Staates wahren soll, bleibt dahingestellt", so Christel Fleischmann.

 

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