Presse-Archiv 2012

Benediktinerpater Anselm Grün im Kreistagssitzungssaal

„Wunden zu Perlen machen“

30.01.2012

von links: Erste Kreisbeigeordnete Rosemarie Lück, Landrat Klaus Peter Schellhaas, Pater Anselm Grün. Foto: Landkreis

Pater Anselm Grün signiert ein Buch für eine Besucherin, rechts daneben Dagmar Hoffmann, Gesundheitsberaterin der Kreisverwaltung. Foto: Landkreis

Darmstadt-Dieburg – Rund 250 Männer und Frauen waren im Kreistagssitzungssaal zu Gast, um dem Vortrag von Benediktinerpater Anselm Grün zu folgen. „Wir mussten leider zahlreichen Interessierten absagen“, berichtet Erste Kreisbeigeordnete Rosemarie Lück zur Begrüßung der Gäste. Schon im Dezember war jeder Stuhl im Sitzungssaal ausgebucht. Die große Nachfrage zeige, dass das Thema, „Finde Deine Lebensspur – Wunden der Kindheit heilen“, viele Menschen bewege. Noch vor der Veranstaltung, zu der die Kreisvolkshochschule und die Gesundheitsberaterin der Kreisverwaltung eingeladen hatten, trafen sich Pater Anselm Grün, Landrat Klaus Peter Schellhaas und Erste Kreisbeigeordnete Lück zu einem Gespräch. „Wir haben nicht nur über psychologische Fragen, sondern auch über Themen der Weltpolitik und der Weltreligionen gesprochen“, so Landrat Schellhaas und Sozialdezernentin Lück.

Vom Rednerpult aus sprach Pater Anselm Grün zu seinem Publikum, wie man ihn von Bildern kennt: gekleidet in schwarzer Kutte, sein längeres graues Haar und sein krauser Bart verbergen nur wenig von seinem freundlichen Gesicht. In seinem Vortrag streifte er seelische Erkrankungen wie Burnout und Depression. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er der Kindheit und stellte Zusammenhänge zu den Beziehungen von Vätern und Müttern zu Töchtern und Söhnen her. Nicht nur bei Sigmund Freud, C. G. Jung und Alice Miller fand er Erklärungen und Antworten, sondern auch bei Franz Kafka, Hildegard von Bingen und im Neuen Testament. „Jeder ist einmalig und wirkt prägend auf seine Umgebung, jeder hinterlässt Spuren“, so der Geistliche, der rund 300 Bücher veröffentlicht hat, manche davon wurden in 30 Sprachen übersetzt. Immer wieder unterlegte der Pater theoretische Erkenntnisse mit Beispielen aus seiner Tätigkeit als Lebensberater. Burnout etwa, habe nicht zwangsläufig damit zu tun, dass jemand zu viel arbeite. Vielmehr könne das ein Zeichen dafür sein, dass die Anforderungen zu stark von außen kämen. Das lähme Energie und führe dazu, dass man sich nicht in seiner Lebensspur befinde. Auch wer viel gebe, weil er eigentlich selber viel braucht, sei Burnout gefährdet.

Wichtig sei, sich mit der Lebensgeschichte auszusöhnen, damit es nicht zu einem Wiederholungszwang käme. Als Beispiel nannte er einen Mann, der von einer dominanten Mutter erzogen worden sei. Dieser verhielt sich seiner Ehefrau gegenüber so, dass sie für ihn die gleiche Rolle einnahm, wie einst die Mutter. „Lebensgeschichte ist Material mit dem man arbeiten kann“, so Pater Anselm Grün. Er plädierte dafür, nicht zu jammern und in der Opferhaltung stecken zu bleiben. „Jesus ist der innere Arzt, der uns mit unseren Selbstheilungskräften in Berührung bringt“, so der Pater. Er ging auch auf die Rolle von Eltern ein: „Männer denken, sie könnten Kinder erziehen, wie man eine Firma leitet“. Richtig sei, dass Väter ihren Kindern den Rücken stärken müssten. „Kinder, die das nicht erleben, haben Probleme mit Autoritäten, ihnen fehlt das Rückgrat“. Er berichtete auch von einer Mutter, die sich als Kind gegenüber ihrer hübscheren Schwester vernachlässigt fühlte. Sie entwickelte später Konkurrenzgefühle gegenüber ihrer Tochter. Er zitierte aus der Bibel: „Lasst zuerst die Kinder satt werden; denn es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen“. Symbolisch stünden die Hunde für die eigenen Bedürfnisse der Mutter. Wahre Größe besteht nach Ansicht des Paters darin, ein Gleichgewicht zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen der Kinder herzustellen. Er warnte davor, aus negativen Erlebnissen mit Eltern heraus, den Kontakt zu den Wurzeln abzuschneiden. Hilfreich sei es, sich zu versöhnen, indem man Schmerz und Wut darüber zulässt, die Vergangenheit mit objektiver Distanz betrachtet und bereit sei zu vergeben. Im letzten Schritt empfahl er, Hildegard von Bingen folgend, „aus Wunden zu Perlen zu machen“, indem man das Beste aus dem macht, was man erlebt hat.

Im Anschluss an seine Ausführungen ging Pater Anselm Grün auf die Fragen aus dem Publikum ein. Die Veranstaltung beendet er mit einer Übung. Die „Kreuzgebärde“ helfe, so der Pater, das „verletzte Kind zum göttlichen Kind führen“.

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