Presse-Archiv 2012

Landkreis will Analphabetismus bekämpfen

Erwachsene lernen lesen und schreiben

03.09.2012

Der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. wirbt mit Plakaten für das Thema.

Darmstadt-Dieburg – „Sicherheitshinweise, schriftliche Aufforderungen oder Verträge nicht lesen zu können, kann dramatische Auswirkungen haben. Den eigenen Kindern nicht bei einfachen Schulaufgaben helfen zu können, ist traurig“, so Kreisbeigeordneter und Bildungsdezernent Christel Fleischmann. Nicht nur mit Blick auf den Weltalphabetisierungstag, der jährlich am 8. September begangen wird, erinnert er daran, dass laut der jüngsten leo-Studie zur Ermittlung von Lese- und Schreibkompetenzen in Deutschland rund 7,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigem Alter so genannte funktionelle Analphabeten sind. „Damit sind auch Menschen gemeint, die das Alphabet kennen, aber Texte nicht lesen können“, erklärt Fleischmann. Viele von ihnen seien mit einfacheren Arbeiten berufstätig oder auch arbeitslos.

Nach Auskunft von Karl-August Bertsch, Leiter der Volkshochschule Darmstadt-Dieburg, wird die Zahl der Betroffenen aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg nicht erfasst. Analog zu den bundesweiten Zahlen müsse davon ausgegangen werden, dass auch im Kreisgebiet mit gut 9 Prozent der Bevölkerung rund 27.000 Menschen nicht ausreichend lesen und schreiben können. Trainingskurse zum Erlernen von Lesen und Schreiben werden im Landkreis unregelmäßig bereits seit den siebziger Jahren angeboten und seien seit 2003 fester Bestandteil des VHS-Programms. Damit folge der Landkreis der guten Tradition, mit Bildung sozialen Ausgleich zu schaffen, berichtet Bildungsdezernent Fleischmann. „Wer lesen und schreiben kann, hat es leichter, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“.

Die Kreisagentur für Beschäftigung Darmstadt-Dieburg ist in besonderer Weise für das Thema Analphabetismus sensibilisiert. „Seit 2005 haben wir für Arbeitsuchende eine Sprachberatungsstelle eingerichtet“, erläutert Erste Kreisbeigeordnete und Sozialdezernentin Rosemarie Lück. Allein im Jahr 2011 seien 46 Frauen und Männer mit ausländischen Wurzeln in Alphabetisierungskurse vermittelt worden, die in der Region von der Kreisvolkshochschule und drei weiteren Trägern angeboten werden. Ein großes Problem sieht die Sozialdezernentin darin, dass die Bundesagentur für Arbeit für Deutsche, die Leistungen nach SGB II erhalten und funktionelle Analphabeten sind, die Kosten für Schreib- und Lesetrainings nicht übernimmt. „Wir wünschen uns, dass wir auch deutschen SGB II-Leistungsempfängern diese Kurse ermöglichen können“, so Rosemarie Lück. Lese- und Schreibkompetenzen seien schließlich essenziell für die Vermittlung in Arbeit.

An der Kreisvolkshochschule haben seit 2003 rund 110 Personen die Lese- und Schreibtrainings besucht. „Nicht schreiben und lesen zu können ist ein großes Tabu und für Betroffene oftmals mit Scham besetzt“, weiß Karl-August Bertsch aus seiner Erfahrung mit Kursteilnehmern. Der schwierigste Schritt sei es, den Mut aufzubringen, trotz aller Ängste und schlechten Erfahrungen einen neuen Anfang zu wagen. Fleischmann und Bertsch appellieren deshalb: „Wenn es in Ihrem Umfeld Menschen gibt, die zu den funktionellen Analphabeten gehören, so weisen Sie diese bitte auf die Möglichkeit der Unterstützung durch die Volkshochschule hin“. Eine Beratung werde selbstverständlich vertraulich und ohne formale Anmeldung angeboten.

Sozialdezernentin Lück und Bildungsdezernent Fleischmann weisen außerdem auf einen Beschluss des Kreistages vom Juni hin, wonach der Landkreis Darmstadt-Dieburg weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Analphabetismus erarbeiten wird. „Wir werden uns in Zukunft noch stärker diesem wichtigen Thema stellen“.

Ein „Trainingskurs: Lesen und Schreiben“ an der Kreisvolkshochschule startet am Dienstag, 11. September, 18 bis 19.30 Uhr, in der Landrat-Gruber-Schule in Dieburg und umfasst 15 Abende. Er richtet sich an Menschen, die gut deutsch sprechen, aber nicht oder nicht ausreichend lesen und schreiben können. Ein Einstieg ist auch nach dem ersten Termin möglich, die Teilnahme kostet 50 Euro. Für eine Anmeldungen oder ein Beratungsgespräch kann man einfach bei der VHS Darmstadt-Dieburg vorbeischauen (Albinistraße 23, 64802 Dieburg,). Interessierte können sich telefonisch auch bei der zuständigen Fachbereichsleiterin, Fortuna Marx, informieren (Telefon 06071 / 881-2315).

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