Presse-Archiv 2013
Hebammen brauchen verlässliche Unterstützung für ihre Berufshaftpflichtversicherung
Geburtshilfe im Landkreis Darmstadt-Dieburg
17.12.2014
Darmstadt-Dieburg - Die Kosten für die Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen stiegen in den vergangenen Jahren immer weiter an. Zurzeit erhalten die Hebammen hierfür Zuschläge von den Krankenkassen, diese Zuschläge sind aber nur bis 1. Juli 2015 geregelt. Unklar ist, wie die Hebammen ihre Berufshaftpflichtversicherung ab 1. Juli 2015 finanzieren können. Befürchtet wird, dass die Hebammen die Prämien für ihre Berufshaftpflichtversicherung zukünftig nicht mehr aufbringen und ohne Versicherung nicht weiter arbeiten können. Die Vor- und Nachsorge für werdende Mütter und Mütter würde so gefährdet, wenn keine zukunftsfähige Sicherstellung der Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen gewährleistet wird.
Die Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Darmstadt-Dieburg, Sozialdezernentin Rosemarie Lück, Christian Keller, Geschäftsführer der Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg, Judith Herlt vom Deutschen Hebammenverband e.V. (DHV) und Franziska Kliemt von der Organisation „Elternprotest Hebammenunterstützung–Hessen“ und Hebamme vom Geburtshaus „Am Ohlenbach“, machten in einem Pressegespräch auf die aktuelle Situation der Hebammen im Landkreis Darmstadt-Dieburg aufmerksam.
„Auch aus sozialpolitischer Sicht muss die Vor- und Nachsorge der Geburt im Gesundheitssystem neu ausgerichtet werden. Durch ein Wegbrechen der Geburtshilfe sowie der Geburtsvorsorge und -nachsorge durch nur wenige Hebammen kann eine gute Versorgung von Müttern und Kindern nicht gewährleistet werden. Wichtig sind Frühe Hilfen von Anfang an“, erläuterte die Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Darmstadt-Dieburg, Sozialdezernentin Rosemarie Lück.
Die Kreisvorsitzende des Verbandes der Hessischen Hebammen im Landkreis Darmstadt-Dieburg, Judith Herlt, sagt dazu: „Die Bedingungen, unter denen freiberufliche Hebammen ihren Beruf ausüben, verschärfen sich seit Jahren drastisch. Die überproportional gestiegenen Haftpflichtprämien bei gleichzeitig immer noch viel zu geringer Vergütung sind die Ursache dafür, dass viele Hebammen von ihrer Arbeit nicht mehr leben können, und aus ihrem Beruf aussteigen. Dieses Problem ist mittlerweile in großen Teilen Deutschlands angekommen und hat auch die Stadt Darmstadt, den Landkreis Darmstadt-Dieburg sowie angrenzende Regionen erreicht. Mehrmals in der Woche erreichen mich Anrufe oder E-Mails von Frauen, die sich an mich als Kreisvorsitzende wenden, weil sie keine Hebamme finden, selbst wenn sie sich frühzeitig darum bemühen. Es muss von politischer Seite schnellstmöglich eine gute und dauerhaft tragfähige Lösung gefunden werden, den Hebammen steht das Wasser bis zum Hals!“
Christian Keller, Betriebsleiter der Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg, über die Zusammenarbeit von Hebammen und Kreiskliniken: „Die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg arbeiten seit vielen Jahren sehr erfolgreich mit freiberuflichen Hebammen zusammen. Die Unterfinanzierung der Hebammen aufgrund massiv angestiegener Versicherungsprämien ist seit langem existenzbedrohlich. Der Gesetzgeber muss hier dringend tätig werden, da ansonsten ein bundesweites Problem auf die Kliniklandschaft zurollen wird.“
„In Hessen mussten drei, bald vier von einst 19 Geburtshäusern schließen. 30 Hausgeburtshebammen haben von hessenweit 78 ihre Tätigkeit in den letzten drei Jahren aufgegeben! Wohin sollen sich Frauen aus diesen und den umliegenden Kreisen wenden? Zum Erhalt der Hebammenversorgung und Geburtshilfe fordern wir eine langfristige Lösung mit einem staatlichen Haftungsfonds für alle Gesundheitsberufe und einer Haftungsobergrenze für Hebammen. Wir fordern den Erhalt und Ausbau der häuslichen Wochenbettbetreuung. Wir fordern das Recht auf selbstbestimmte Geburt mit der freien Wahl des Geburtsortes nach dem SGB V, sowie die Begleitung durch eine Bezugshebamme für jede Mutter. Kommunen und Landkreise sollten in Dialog mit der Landes- und der Bundesregierung treten und dort informieren. Es gilt, jetzt Zeichen und Anreize für Hebammen zu setzten. Zeichen, die den Hebammen Mut machen, weiter durchzuhalten bis es zu einer wirklichen tragfähigen Lösung kommt“, fordert Franziska Kliemt, von der Organisation „Elternprotest Hebammenunterstützung Hessen“.
Ralf Möller, Bürgermeister der Stadt Weiterstadt: „Die Schließung des Geburtshauses „Am Ohlenbach“ in Gräfenhausen ist für die Stadt Weiterstadt ein herber Rückschlag. Die geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den Betrieb der freien Hebammen unwirtschaftlich machen, gehen voll zu Lasten der Familien und der Neugeborenen. Rund ein Drittel der Nachsorge erfolgt derzeit in Weiterstadt noch durch das Geburtshaus. Als Bürgermeister einer der – gemessen am Durchschnittsalter der Einwohner – jüngsten Kommunen der Region sehe ich die Bemühungen Weiterstadts, jungen Familien angemessene Lebensbedingungen zu schaffen, hierdurch gefährdet. Wir haben Betreuungseinrichtungen für Kinder in einem langen Weg hin zu Bildungseinrichtungen entwickelt, Familienzentren gegründet, Bauland geschaffen und vieles mehr. Wenn jetzt die Nachsorge der Neugeborenen und die Betreuung der Familien gefährdet werden, unterhöhlt dies die jahrzehntelange familienfreundliche Politik Weiterstadts. Das „Aus“ für das Geburtshaus in Gräfenhausen bedeutet also weit mehr als das „Aus“ für den Geburtsort Weiterstadt.“