Presse-Archiv 2022
Vize-Landrat wendet sich an den Hessischen Ministerpräsidenten und südhessische Abgeordnete
Erster Kreisbeigeordneter Lutz Köhler will Interessen der Landwirte in der Region gestärkt wissen
12.09.2022
Darmstadt-Dieburg. Die Ängste und die Verunsicherung sind groß: Landwirte aus der Region haben jüngst eine Versammlung der Ortslandwirte im Kreistagssitzungssaal genutzt, um den für die Landwirtschaft im Landkreis Darmstadt-Dieburg zuständigen Dezernenten, den Ersten Kreisbeigeordneten Lutz Köhler, für ihre Sorgen zu sensibilisieren.
„Der Dialog mit der Landwirtschaft ist mir wichtig, denn nur mit einer starken Landwirtschaft bleibt auch unsere Region stark“, erläutert der Vize-Landrat nach den Gesprächen, die mehrere Schreiben Köhlers zur Folge hatten:
So wendet sich Köhler zum einen an Hessens Ministerpräsidenten Boris Rhein und zum anderen an südhessische Bundestagsabgeordnete und den Europaabgeordneten Michael Gahler.
Köhler teilt in seinen Schreiben die Kritik aus der Landwirtschaft ausdrücklich: „Die Rechtssetzung zur gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ist auf der Ebene der EU in weiten Teilen bereits in 2021 erfolgt. Damit ist die Grundausrichtung der GAP ab 2023 als Teil des europäischen „Green Deals“ vorgegeben. Die erforderliche Rechtssetzung auf nationaler Ebene ist aber aktuell von Änderungen, Diskussionen und Wendungen geprägt. Dies führt zu weiterer erheblicher Verunsicherung und mittlerweile auch Unverständnis für diese Situation“, schreibt der Dezernent. „Die bisher bekannten Regelungen der Rechtssetzung zur gemeinsamen Agrarpolitik (GAP 2023) können nach Einschätzung der Kreislandwirte hier in Südhessen dazu führen, dass sich die landwirtschaftlichen Betriebe entscheiden müssen, ob sie beispielsweise weiterhin Zwiebeln, Zuckerrüben, Kartoffeln oder Braugerste anbauen oder die Einkommensgrundstützung nach der GAP 2023 beantragen“, stellt Köhler weiter fest.
Zudem solle es in der GAP 2023 mit der Konditionalität GLÖZ 6 (Gute landwirtschaftliche und ökologische Bedingungen) eine Regelung zur Mindestbodenabdeckung in sensiblen Zeiten geben, aktuell sei hierfür der Zeitraum vom 1. Dezember bis 15. Januar festgelegt. Hier ist eine Vereinheitlichung mit anderen Fristen auf den 15. Februar in der Diskussion. Zwar werde die vorgeschlagene Vereinheitlichung von Fristen auch von den Kreislandwirten im Grundsatz positiv gesehen. „Sie würde für Südhessen aber bedeuten, dass beispielsweise der Anbau von Zwiebeln, Zuckerrüben, Kartoffeln oder Braugerste auf Grund von erheblichen Mindereinträgen unwirtschaftlich wird, denn die Bodenbearbeitung für diese Kulturen beginnt in Südhessen üblicherweise vor dem 15. Februar eines Jahres“, merkt der Erste Kreisbeigeordnete an und empfiehlt: „Vor diesem Hintergrund ist es für die in Südhessen und anderen klimatisch begünstigten Regionen in Hessen von entscheidender Bedeutung, dass in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit der Ermächtigung durch das Land Hessen Gebrauch gemacht wird, um die bisherige Regelung weiter nutzen zu können“, stellt der Dezernent fest. Zudem werde „der klimatischen Situation in Südhessen von der EU keine Rechnung getragen“, hier sei eine „dringend notwendige Anpassung erforderlich.“
Vize-Landrat Köhler wartet in seinen Schreiben mit weiteren praktischen Beispielen dieser Art auf und regt eine umgehende Aussetzung weiterer, aus Sicht der Praktiker nicht umsetzbarer neuer GLÖZ-Standards an.
Hier ist etwa die Konditionalität GLÖZ 7 zu nennen, die den jährlichen Fruchtwechsel vorschreibt. Damit wird das Ziel verfolgt, Monokulturen zu vermeiden. So ist dann der Anbau von Winterweizen nach Winterweizen untersagt. Diese Fruchtfolge ist zwar nicht die Regel, kann aber vorkommen. Der Anbau von Silomais nach Silomais ist aber weiterhin möglich, wenn über den Winter eine Zwischenfrucht angebaut wurde. Dieses ist nicht nachvollziehbar.
Ähnlich verhält es sich mit der Konditionalität GLÖZ 8, die eine Stilllegung von vier Prozent der Ackerfläche vorschreibt.
In der Zwischenzeit haben sich die Agrarminister zwar auf eine Verschiebung der Konditionalitäten 7 und 8 um ein Jahr verständigt. Diese Entscheidung wird grundsätzlich begrüßt. Damit werden aber die beschriebenen Probleme lediglich vertagt.
Gleichzeitig werden aber bereits neue Anforderungen für landwirtschaftliche Betriebe deutlich. Mit der auf EU – Ebene geplanten Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln um 50 % bis 2030 stehen viele Betriebe vor der Frage der Umsetzung dieser Anforderung. In manchen Gebieten soll dann der Einsatz von Pflanzenschutz völlig verboten werden. Die damit verbundenen finanziellen Einbußen für die Landwirte sind in den bisherigen Planungen nur unzureichend berücksichtigt. Dieser Aspekt muss aber genauso bedacht werden wie der Umstand der zu erwartenden deutlich geringeren Erntemengen.
Köhler resümiert: „Mit den bislang bekannten Regelungen der neuen GAP ab 2023 ist auf vielen Ebenen mit einer deutlichen Erhöhung des bürokratischen Aufwandes zu rechnen. Dieses betrifft nicht nur die landwirtschaftlichen Betriebe, sondern auch die Verwaltung, die diese Regeln umsetzen und auch kontrollieren muss. Durch die Einführung eines flächendeckenden Monitorings sollen zahlreiche Prüfschritte digital erfolgen. Da sich dieses System aber aktuell erst in der Entwicklung befindet muss abgewartet werden, welche Entlastung für die Verwaltung damit verbunden ist.
Dabei ist geplant, dass verschiedene Auflagen wie etwa der jährlich Fruchtwechsel oder der Zeitpunkt der Aussaat oder der Einarbeitung von Zwischenfrüchten auf Grundlage von regelmäßig erstellten Satellitenbildern überprüft werden soll. Die Ergebnisse dieser automatisierten Prüfung sollen den landwirtschaftlichen Betrieben dann direkt per App zur Verfügung gestellt werden. Sind die Ergebnisse eindeutig, ist alles in Ordnung. Können aber keine eindeutigen Ergebnisse geliefert werden, muss entweder der Landwirt und oder die Verwaltung tätig werden. Bei annähernd 50.000 beantragten Parzellen, die in der Zuständigkeit des Landwirtschaftsamtes beim Landkreis Darmstadt – Dieburg bearbeitet werden, kann sich daraus ein erheblicher Verwaltungsaufwand ergeben.
Für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeutet das mindestens eine Umstellung. Ohne Smartphone und App wird dann nichts mehr gehen.
"Grundsätzlich muss von Seiten des Landes Hessen alles unternommen werden, um die Anwendbarkeit der neuen GAP so einfach wie möglich zu gestalten. Nur dann werden diese Regelungen von den landwirtschaftlichen Betrieben angenommen und können den vorgesehenen Beitrag zur Unterstützung und Entwicklung des ländlichen Raumes und zur Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Lebensmitteln beitragen“, so die Forderung des Darmstadt-Dieburger Vize-Landrats.