Presse-Archiv 2023

Schockraumtraining an der Kreisklinik in Groß-Umstadt

Unter Stress als Team üben, wie man Menschenleben rettet

08.10.2024

Arbeiten unter Stress: Das trainierten (von links) Cindy Appenheimer, Grigorij Dudko, Radu Ursun, Ahmad Alqaisi und Pouya Kabiri Khodadod im Schockraum des neuen Bettenhauses zum ersten Mal mit einem Laienschauspieler. Jens Lambracht von den Johannitern in Dieburg spielte den Schwerverletzten. Foto: Katja Ehrhard

Darmstadt-Dieburg. Hryhory Dudko steht im Schockraum des neuen Bettenhauses der Kreisklinik Groß-Umstadt, dirigiert die Kollegen, die rings um den intubierten Patienten auf der Liege stehen. Aus dessen rechtem Schienbein ragt etwas heraus, überall ist Blut zu sehen. Die Hosen des Mannes sind aufgeschlitzt, der Oberkörper frei. Nach Abschluss der ersten Untersuchungsphase steht fest: „28 Jahre alt, Sturz vom Felsen, er muss sofort in den OP!“. Dies kommuniziert Dudko, der heute Teamleiter ist in dem Raum, der zur Notaufnahme gehört und in dem die Erstversorgung von Schwerstverletzten oder Schwerkranken erfolgt. Doch bis in den Operationssaal kommt der Patient heute nicht. Auf die Frage „Wie geht es ihnen?“ von Dr. Thorsten Finteis, Facharzt für Anästhesie, schlägt der Schwerverletzte die Augen auf, ruckelt ein bisschen an dem Schlauch in seinem Mund und antwortet: „Gut!“ Finteis nickt zufrieden. Denn Jens Lambracht gehört zu den Johannitern Dieburg und spielt öfter das Opfer. „Realistische Unfalldarstellung“ heißt das. Geschminkt haben ihn heute Liane Klein und Viviane Jochum. Die Wunde am Bein besteht aus Schminkwachs und Theaterblut.

Beim ersten Schockraumtraining im neuen Bettenhaus mit Laienschauspieler nahmen 15 Personen der Kreisklinik Groß-Umstadt teil, die dort den Ernstfall gemeinsam geübt haben oder die Abläufe beobachteten, um zu lernen. Dr. Finteis und Gerald Neupert, Oberarzt der Klinik für Anästhesie an den Kreiskliniken, leiteten das Training. Sie sind zufrieden. Bei der Nachbesprechung gibt es nur wenige Kritikpunkte. „Achtet auch auf den Monitor“, sagt Neupert, „damit ihr die aktuellen Vitalparameter kennt, wenn er zu leise ist, stellt ihn lauter, damit ihr hört, wie die Herzfrequenz und Sättigung sind.“ Der Ton ist wertschätzend, denn hier geht es darum, Fehler in der gemeinsamen Arbeit zu erkennen und sie abzustellen. Immerhin arbeiten im Schockraum über verschiedene Fachdisziplinen hinweg Ärzte und Pflegepersonal zusammen, die dies im Alltag nicht tun. „Und je echter es wirkt, desto besser ist es auch“, sagt Finteis. An die Teilnehmer gewandt sagt er dann auch: „Was mir richtig gefallen hat ist, dass richtig Stress aufgekommen ist. Das ist so, wie wir üben wollen.“ Denn im Ernstfall herrscht Stress. Es muss schnell gehen, aber Fehler dürfen keine passieren. Also werden diese Situationen immer wieder trainiert.

„Und wir haben auch die Unterstützung aus dem Haus“, sagt Thorsten Finteis. Denn Dr. Patrick Schmenger, Chefarzt des Zentrums für Akute und Postakute Intensivmedizin in Jugenheim und der Klinik für Anästhesie in Groß-Umstadt, stellt die Mitarbeiter dafür frei. „Und die Betriebsleitung finanziert das, denn die Statisten kosten Geld“, sagt Finteis: „Das Geld ist aber gut investiert, denn das rettet am Ende Menschenleben.“ Dr. Schmenger ergänzt: „Das A und O ist ein gut ausgebildetes und motiviertes Personal. Wir brauchen trainiertes Personal.“ Am neuen Schockraum gefallen ihm die kürzeren Wege, etwa zur Computertomographie. „So kommen wir schneller zu einer Diagnostik“, sagt er. „Die neue Umgebung ist ungewohnt“, sagt Thorsten Finteis, „und wir haben hier auch verschiedene Ausbildungsstände.“ Also sei es wichtig, die grundlegenden Sachen zu üben. Dazu gehört auch die Kommunikation unter Stress. „Unter anderem, auch Hilfe zu rufen und nicht zu versuchen, alles alleine zu lösen“, sagt Finteis.

„Wir sind froh, dass wir dieses Training hier im Haus anbieten zu können – im Sinne unserer Mitarbeiter und natürlich unserer Patienten“, sagt Betriebsleiter Christoph Dahmen. „Dazu leisten wir auch gerne einen finanziellen Beitrag.“ „Unser Ziel ist es ja, immer besser zu werden“, ergänzt Betriebsleiterin Pelin Meyer, „dazu tragen Übungen wie das Schockraumtraining bei. Und wir können uns bei Dr. Schmenger bedanken, dass er auch für die Zukunft schon klare Vorstellungen hat, wie diese Ausbildung noch effizienter wird.“

Lernen und trainieren kann und muss also jeder, immer wieder. Das gilt auch für das Opfer. „Man lernt als Patient mit“, sagt Jens Lambracht von den Johannitern Dieburg, „ich bin ja normal der, der die Patienten hier in den Schockraum bringt.“

tb

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