Aktuelle Nachrichten aus Darmstadt-Dieburg
100 Jahre Jugendamt Teil III
Der Pflegekinderdienst: Eine wichtige Stütze für Kinder in Not
20.02.2025
Darmstadt-Dieburg. Der Pflegekinderdienst des Jugendamtes spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, Kindern in schwierigen Lebenslagen ein sicheres und liebevolles Zuhause zu bieten. Eine Aufgabe, die das Jugendamt seit seiner Gründung vor 100 Jahren wahrnimmt.
Immer mehr Kinder, insbesondere im Kleinkind- und Grundschulalter, müssen ihre Herkunftsfamilie verlassen, weil sie dort nicht die notwendige Versorgung und Geborgenheit erhalten können. Der Bedarf an engagierten Pflegefamilien wächst stetig, und das Jugendamt sucht fortlaufend nach geeigneten Menschen, die bereit sind, einem Kind ein Zuhause auf Zeit oder dauerhaft zu geben.
Aktuell leben im Landkreis Darmstadt-Dieburg 152 Kinder in Pflegefamilien. Es gibt immer weniger Pflegefamilien für diese Kinder. Wenn keine geeignete Familie für ein Kind gefunden wird, werden die umliegenden Jugendämter angefragt. Gibt es auch dort keine Pflegefamilie, die das Kind aufnehmen und seinen Bedarf decken kann, kommt das Kind in eine Einrichtung der Jugendhilfe.
Warum müssen Kinder ihre Herkunftsfamilie verlassen?
Die Entscheidung für die Unterbringung eines Kindes außerhalb ihrer Herkunftsfamilie kann zum einen aus der Einsicht der Eltern resultieren, dass sie ihrem Kind aus diversen Gründen nicht den Rahmen und das entwicklungsförderliche, familiäre Umfeld bieten können, welches das Kind benötigt. In solchen Fällen erarbeiten die Eltern, gemeinsam mit dem Jugendamt, eine den Bedürfnissen des Kindes entsprechende Perspektive. Zum anderen kann eine Herausnahme aus der Herkunftsfamilie auch aus der Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes des Jugendamtes, zum Schutz des Kindeswohls, erfolgen. Die Ursachen dafür sind unter anderem: Vernachlässigung und Misshandlung, psychische Erkrankungen oder Suchterkrankungen der Eltern, Gewalt in der Familie oder andere schwere Belastungen im Elternhaus. Wenn Kinder nicht mehr in ihrer Herkunftsfamilie bleiben können, ist es in der Regel das vorrangige Ziel des Jugendamtes, ihnen eine familienähnliche Umgebung zu bieten. Hier kommen Pflegefamilien ins Spiel, die diesen Kindern ein stabiles Umfeld und emotionale Sicherheit geben können. „Pflegefamilien übernehmen eine bedeutende Verantwortung und leisten einen wichtigen Beitrag zum Wohl von Kindern in Not. Sie bieten nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch emotionale Unterstützung, Fürsorge und einen strukturierten Alltag. Das Jugendamt unterstützt Pflegefamilien durch Schulungen, Beratung und finanzielle Leistungen, um sicherzustellen, dass die Pflegeeltern auf ihre Aufgaben gut vorbereitet sind“, erläutert die Sozial- und Jugenddezernentin des Kreises Christel Sprößler. „Es ist eine Aufgabe, die nicht nur den Kindern hilft, sondern auch das Leben der Pflegeeltern bereichern kann. Jeder Schritt zählt, um Kindern in Not eine sichere und liebevolle Zukunft zu ermöglichen“, so Sprößler weiter.
Unterschied zwischen Bereitschaftspflege und Dauerpflege
Es gibt verschiedene Formen der Pflege, je nach Bedarf des Kindes und der Situation der Herkunftsfamilie.
Bereitschaftspflege: Diese Form der Pflege ist eine kurzfristige Unterbringung in einer Pflegefamilie. Sie kommt zum Einsatz, wenn Kinder akut aus ihrer Familie genommen werden müssen, beispielsweise aufgrund von Kindeswohlgefährdung. Die Bereitschaftspflege ist darauf ausgerichtet, dem Kind vorübergehend Schutz und Betreuung zu bieten, bis eine langfristige Lösung gefunden wird. Dies kann entweder eine Rückführung in die Herkunftsfamilie oder eine dauerhafte Unterbringung in einer Pflegefamilie oder einer anderen Einrichtung sein.
Dauerpflege: Hierbei geht es um eine langfristige Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie. Die Kinder bleiben oft bis zur Volljährigkeit oder darüber hinaus in ihrer Pflegefamilie und wachsen dort wie in einer eigenen Familie auf. Entgegen dem weit verbreiteten Gerücht, dass Kinder nur ein bis zwei Jahre in einer Pflegefamilie bleiben und dann automatisch in ihre Herkunftsfamilie zurückkehren, ist die Realität eine andere. Rückführungen finden, wenn überhaupt, erst im Teenageralter statt. In diesem Alter entwickeln Kinder oft den Wunsch, zu ihrer Herkunftsfamilie zurückzukehren, da sie sich auf der Suche nach ihrer Identität befinden. „Eine mögliche Rückkehr in die Herkunftsfamilie wird nichtsdestotrotz, entsprechend den gesetzlichen Vorgaben, regelhaft und stets individuell geprüft und hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Entwicklung des Kindes und die Situation in der Herkunftsfamilie. Häufig entsteht im Jugendalter bei den Pflegekindern der Wunsch, ihre Wurzeln zu erkunden und ihre Identität zu verstehen, was zu einem verstärkten Interesse an der Herkunftsfamilie führen kann“, erläutert Nikolett Molek, Fachgebietsleiterin beim Pflegekinderdienst des Jugendamtes Darmstadt-Dieburg. „80 bis 90 Prozent der Pflegekinder werden in ihrer Pflegefamilie erwachsen. Viele Menschen denken, dass Pflegekinder nur ein bis zwei Jahre bei ihrer Pflegefamilie bleiben, das stimmt so nicht“, sagt Molek, die in ihrer Zeit beim Jugendamt schon sehr viele Kinder und Pflegefamilien begleitet hat.
Aktuelle Herausforderungen
Der Pflegekinderdienst des Landkreises Darmstadt-Dieburg steht vor zunehmenden Herausforderungen, die die Vermittlung und Betreuung von Pflegekindern erschweren. Immer mehr Kinder, die in Pflegefamilien untergebracht werden müssen, haben in ihrer frühen Kindheit Vernachlässigung, Misshandlung oder andere traumatische Erlebnisse erfahren. Dies führt häufig zu Bindungsstörungen, emotionalen und sozialen Auffälligkeiten sowie einem erhöhten Unterstützungsbedarf. Pflegeeltern müssen daher besonders belastbar und fachlich gut vorbereitet sein, um den Kindern die nötige Stabilität und Förderung zu bieten. Die Zahl der Menschen, die bereit sind, ein Pflegekind aufzunehmen, sinkt. Besonders für Kinder mit besonderen Bedarfen – etwa ältere Kinder, Geschwistergruppen oder Kinder mit gesundheitlichen Einschränkungen – wird es immer schwieriger, geeignete Pflegefamilien zu finden. Viele Familien fühlen sich mit den komplexen Anforderungen überfordert oder schrecken vor der zeitlichen und emotionalen Belastung zurück.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sucht der Pflegekinderdienst dringend nach neuen Pflegefamilien und setzt sich für bessere Rahmenbedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe ein. Wer sich für die Aufnahme eines Pflegekindes interessiert, wird durch den Pflegekinderdienst umfassend beraten und vorbereitet. Wer sich vorstellen kann, einem Kind in einer schwierigen Situation ein Zuhause zu geben, kann sich beim Pflegekinderdienst des Jugendamtes informieren. Es werden fortlaufend neue Pflegeeltern gesucht, die bereit sind, Kindern eine zweite Chance auf eine liebevolle Kindheit zu geben.
Mehr Informationen gibt es im Internet unter https://www.ladadi.de/gesellschaft-soziales/familie-kinder-und-jugend/adoption-und-pflegekinder/pflegekinder.html.