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Halbes Jahr Kampf gegen die ASP

Landkreis Darmstadt-Dieburg geht seinen eigenen Weg unbeirrt weiter

03.12.2024

Ein Wildschwein, aufgenommen mit einer Wärmebildkamera von einer Drohne der Pro Schutz GmbH. Die vom Kreis beauftragte Firma überwacht das Gebiet flächendeckend und bietet damit die Grundlage für Erleichterungen, die es ansonsten wohl nicht geben könnte. Foto: Pro Schutz GmbH

Darmstadt-Dieburg. Im Juni gab es im Landkreis Darmstadt-Dieburg die erste Allgemeinverfügung, um der Afrikanischen Schweinepest (ASP) zu begegnen, Ende Juli gab es den ersten positiven Fund. Seit gut einem halben Jahr kämpft der Landkreis also gegen die Seuche – und geht seinen Weg nun mit einer neuen Allgemeinverfügung, die seit Freitag gilt, weiter: „Wir wollen alle Einschränkungen für die Menschen beherrschbar machen, mit Augenmaß handeln“, erklärt der Erste Kreisbeigeordnete und stellvertretende Landrat Lutz Köhler. „Wir haben uns immer überlegt, wie wir bei der ASP-Bekämpfung eine aktive Rolle spielen können, aber immer partnerschaftlich mit den Jägern und Landwirten. Und wir haben uns immer an die Spitze der Bewegung gesetzt, um das zu ermöglichen.“

So auch bei der neuen Allgemeinverfügung, die Jagderleichterungen und Erleichterungen bei der Leinenpflicht für Hunde mit sich bringt: Die Leinenpflicht gilt nun nur noch in vollem Umfang im Südosten des Kreises, im Westen und Süden, soweit das Gebiet zur Sperrzone II gehört, gilt nur noch eine eingeschränkte Leinenpflicht: Dort müssen Hunde im Wald sowie nur noch innerhalb von 100 Metern vom Waldrand sowie in nichteinsehbaren Bereichen im Feld angeleint werden. Ab Reinheim und Groß-Zimmern in Richtung Osten gibt es keine Leinenpflicht mehr, obwohl die Sperrzone II bis Babenhausen und Groß-Umstadt reicht.

Die Jagderleichterungen gelten wie folgt: Im Westen, soweit das Gebiet nicht zum Kerngebiet gehört, sowie in der Mitte des Landkreises darf wieder Schalenwild – außer Schwarzwild -, Niederwild und Raubwild bei Tageslicht gejagt werden – am besten mit Schalldämpfern. Östlich davon darf alles gejagt werden außer Schwarzwild, der Kreis empfiehlt die Verwendung von Schalldämpfern. Weiter östlich ist die Einzeljagd auch auf Wildschweine und zur Nachtzeit erlaubt. Der Kreis empfiehlt auch hier die Verwendung von Schalldämpfern, um Wildschweine nicht aufzuscheuchen.   

Dass der Landkreis erneut Lockerungen aussprechen kann, ist laut Lutz Köhler dem Weg geschuldet, der von Anfang an gegangen wird: „Wir sind ja viel näher vor Ort als etwa das Land Hessen“, sagt der stellvertretende Landrat, „wir haben die Fachkenntnisse, wie man damit umgehen kann.“ Der Kreis lässt die Firma Pro Schutz die Gebiete regelmäßig absuchen und entnimmt dort Rotten, wo sie erkennbar infiziert sind. Das ist mit Aufwand verbunden. Die Pro Schutz GmbH ist an 66 Nächten mit jeweils einem bis drei Teams mit Hochleistungsdrohnen im Einsatz gewesen. Bei 66 Einsatznächten á sechs Stunden sind das 396 Flugstunden. Von den 65.864 Hektar des Landkreises wurden rund 30.000 Hektar beflogen, davon einige mehrfach. Die gesamte Flächenleistung der Rasterbefliegungen mit Drohnen beträgt 63.729 Hektar. Dank dieser regelmäßigen großflächigen Kontrolle gibt es nun auch die Vermutung, dass es sich bei dem positiven Fund in Ober-Ramstadt im August um einen Irrtum gehandelt haben muss. „Wir haben das Gebiet mehrfach abfliegen lassen – und es gab keine neuen Funde“, erklärt Köhler. Eigentlich unmöglich, wenn ein infiziertes Tier gefunden wurde. Was genau geschah, ob Proben vertauscht wurden, oder ein anderer Fehler zugrunde lag, das lässt sich kaum sagen. Der Fund verschob die Infizierte Zone (Sperrzone II) nach Osten. Dorthin, wo es nun Erleichterungen gibt. „Wir gehen davon aus, dass wir den Fund vernachlässigen können und der östliche Kreis ASP-frei ist“, sagt Köhler. Für die Landwirte eine Erleichterung, was auch Kreislandwirt Karlheinz Rück lobt. „Die Zusammenarbeit mit dem Kreis ist ganz hervorragend, wir waren immer involviert, obwohl die ASP für uns ja ein Super-GAU ist.“ In anderen Kreisen, so habe er berichtet bekommen, sei die Zusammenarbeit nicht so harmonisch. Und auch Markus Stifter vom Landesjagdverband lobt das Modell in Darmstadt-Dieburg, per Drohnen die kranken Tiere auszusortieren. Laut EU-Recht gilt eine infizierte Zone ein Jahr lang nach dem Fund, mit allen Einschränkungen. Der Kreis tut im Rahmen des rechtlich Möglichen also alles, um die Einschränkungen für Landwirte, Hundebesitzer und Jäger nicht zu drastisch werden zu lassen. „Es braucht ein gutes Maß an Sensibilität für die Situation“, sagt Köhler.

So war es auch im Süden, als der „heiße September“ begann, wie Lutz Köhler erklärt. Die Funde bei Eschollbrücken wurden mit derselben Taktik angegangen: Die kranke Rotte wurde entnommen. Zudem wurde ein Kreiszaun für 80.000 Euro zwischen der A67 und der A5 gebaut. „Heute kann ich Erfolg berichten“, sagt Köhler: Der aktuelle Seuchenzug aus Richtung Groß-Gerau und Bergstraße konnte für den Landkreis Darmstadt-Dieburg unter Kontrolle gebracht werden. „In der vergangenen Woche haben wir das Gebiet erneut untersuchen lassen, es ist seuchenfrei“, sagt Köhler.

Die Lockerungen des Jagdverbots haben einen ernsten Hintergrund: Wenn sich die Populationen drastisch erhöhen, verursachen die Tiere Schäden etwa an Wiesen, die wiederum nicht abgeerntet werden können als Futter für Kühe. „Die einzige Möglichkeit ist, ganz aktuell ganz viel Schwarzwild zu entnehmen“, sagt Rück. Der Kreis hat eine Abschussprämie von 100 Euro ausgesetzt. „Das haben die anderen Landkreise nicht“, sagt Markus Stifter vom Jagdverband. Es soll auch ein Anreiz für die Jäger sein, mehr zu schießen als sie verwerten können. „Das ist eine ganz wesentliche Maßnahme, um in der Einzeljagd für Motivation zu sorgen“, sagt er. Und das ist der Weg, den der Landkreis auch weitergehen wird, kündigt Lutz Köhler an. Hoffnung setzen alle auf einen neun Zaun entlang der A5, den das Land bauen will Ende Januar. Dann könnte die Schwarzwildjagd eventuell auch im restlichen Kreis vielleicht wieder erlaubt werden. 

tb

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