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Hessische Kommunale Jobcenter sehen sich vor Weichenstellung

Die Zukunft der Sozialverwaltung

06.01.2025

Darmstadt-Dieburg/Wiesbaden/Hessen. Hopfen, Malz, Hefe, Wasser – seit 1516 hat das Deutsche Reinheitsgebot unverändert Bestand. Diese gesetzgeberische Kontinuität über fünf Jahrhunderte hinweg steht im deutlichen Kontrast zum Sozialgesetzbuch II. Letzteres existiert immerhin auch bereits seit zwanzig Jahren, zeichnet sich aber durch ständige, tiefgreifende Wechsel in seiner Struktur und Ausrichtung aus. Die sich nun abzeichnenden bundespolitischen Umbrüche geben Anlass zu einer Bestandsaufnahme sowie insbesondere einer auf Erfahrungen gründenden Empfehlung für die zukünftige Regierung.

2004 endete endgültig das dreigliedrige System der sozialen Sicherung bei Arbeitslosigkeit aus Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Mit den sogenannten Hartz-Reformen fusionierte die damalige Regierung Schröder Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe im Wesentlichen auf dem Leistungsniveau der vormaligen Sozialhilfe und regelte dies 2005 im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach zahlreichen Gesetzesänderungen, Schwerpunktverlagerungen und Neuausrichtungen innerhalb des Arbeitslosengeldes II löste die Ampel-Koalition mit Einführung des Bürgergeldgesetzes zu Beginn 2023 dieses ab und vollzog damit einen deutlichen Kurswechsel. Statt des ursprünglich sinnstiftenden Mottos „Fördern und Fordern“ lag der Fokus auf einer konsensorientierten Kooperation. Sanktionen waren zunächst massiv eingeschränkt. Vielmehr sollte das freiwillige Element ausschlaggebend dabei sein, Arbeitsuchende zu mobilisieren, zu qualifizieren und in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu integrieren.

Nach zwei Jahren Praxis konstatieren die Hessischen Kommunalen Jobcenter, dass dieser Ansatz sich nicht als realistisch und tragfähig erwiesen hat. Die gegenwärtige Bundesregierung hat den Korrekturbedarf zuletzt ebenfalls erkannt und punktuell nachgesteuert. Gleichwohl greifen diese Kurskorrekturen aus Sicht der in der Sozialverwaltung Tätigen zu kurz. Neben einer grundsätzlichen Neukonzeption des Gesetzes, die eine Rückkehr zu den bewährten Ansätzen der ursprünglichen Reform zum Kern innehat, ist eine dauerhafte, auskömmliche Mittelausstattung erfolgskritisch. Diese ist vor dem Hintergrund der jüngsten Haushaltsdebatte nicht mehr gegeben. Die avisierten Kürzungen nehmen den Kommunalen Jobcentern den Handlungsrahmen, um ihre effektive Arbeit vor Ort in gleicher Intensität fortführen zu können. Hinzu kommt, dass die Vermittlungshemmnisse der Leistungsbeziehenden sich in den zurückliegenden zwanzig Jahren massiv erhöht haben. Flucht- und Migrationshintergrund, Sprachhemmnisse, psychosoziale Beeinträchtigungen sind nur einige Gründe.

Es bedarf weiterhin eines klaren politischen Bekenntnisses zur Autonomie des SGB II – der zunehmenden Zuständigkeitsverschiebung in andere Rechtskreise erteilen die Hessischen Kommunalen Jobcenter eine deutliche Absage. Die Kompetenz, Menschen nach langer Erwerbslosigkeit, nach dauerhafter Abhängigkeit von sozialen Transferleistungen wieder zu einem ökonomisch selbstbestimmten Leben zu verhelfen bündelt in Deutschland eine Institution: Das Kommunale Jobcenter!

Daher gilt der Appell an den zukünftigen Gesetzgeber, bei der zukunftsfähigen Ausgestaltung der sozialrechtlichen Grundlagen unbedingt auf die Expertise der Fachleute vor Ort zurück zu greifen und denen Gehör zu verschaffen, die täglich mit Betroffenen zusammenarbeiten. Das Grundrezept für erfolgreiches und gesellschaftliches Sozialsystem ist nicht kompliziert. Man braucht vor allem Kontinuität, Klarheit und eine langfristige Perspektive – ganz wie beim deutschen Reinheitsgebot.

„Die kontinuierlichen Reformen der Sozialgesetzbücher in den vergangenen Jahren haben vielfach zu Verschlechterungen für die Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher geführt. Anstatt die sozialen Sicherheitsnetze zu stärken, wurden sie an vielen Stellen geschwächt. Besonders in einer Zeit, in der immer mehr Menschen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, müssen wir sicherstellen, dass die Sozialverwaltung nicht nur effizient arbeitet, sondern auch die Bedürfnisse der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Die aktuellen Reformen greifen zu kurz, wenn sie nicht die Realität der Menschen in schwierigen Lebenslagen berücksichtigen und ihre existenziellen Sorgen ernst nehmen“, sind sich die Sozialdezernentin des Landkreises Darmstadt-Dieburg Christel Sprößler und der langjährige Jobcenterleiter Roman Gebhardt einig.

Vor dem Hintergrund einer neuen Regierungsbildung, muss eine erfolgreiche Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik auch in Zukunft noch stärker kommunal geprägt sein. Die Hessischen Kommunalen Jobcenter entwickeln ihre Konzepte, Strukturen und Methoden ständig weiter, um auch in einer sich wandelnden, digitalen Arbeitswelt die Menschen mit flexiblen und passgenauen Leistungen und Angeboten zu unterstützen.

Die Kommunalen Jobcenter stehen bereit. Wie immer #Stark.Sozial.VorOrt.

as

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