"Wenn man wirklich etwas erreichen will, schafft man es auch"
Darmstadt-Dieburg - Im Landkreis Darmstadt-Dieburg leben 30 000 Menschen mit ausländischem Pass. Zählt man diejenigen dazu, die eingebürgert sind oder eine Familie mit Wurzeln in anderen Ländern haben, clicken noch erheblich m ehr Bewohner des Landkreises auf eine Zuwanderungsgeschichte zurück. Dass zahlreiche Menschen, deren Herkunftsland nicht Deutschland ist, eine Erfolgsgeschichte geschrieben haben, von der selbst mancher Deutscher nur träumen kann, geht allzu oft unter. Für das Projekt "Aktion Vorbild" haben die Mitarbeiterinnen des Büros für Migration und Inklusion des Landkreises Darmstadt-Dieburg, Menschen befragt, die sich im Landkreis integriert fühlen und Karriere gemacht haben. Was ihnen dazu verholfen hat, in Deutschland daheim und beruflich erfolgreich zu sein, zeigen ihre Porträts.
Mit nur zwei Taschen kamen Anna Lange und Ihre Mutter im Dezember 1992 aus Kasachstan nach Deutschland. Anna Lange war damals elf. Im oberhessischen Alsfeld wartete schon ihre nächst ältere Schwester. Ihr Vater und ihre älteste Schwester folgten im Frühjahr 1993 nach. Die ersten fünf Jahre ist die Familie von einem Übergangswohnheim ins nächste gezogen und lebte nur unter Zuwanderern. "Ich habe dadurch gute Lebenserfahrungen gesammelt", befindet Anna Lange heute. Ihre Freunde kamen aus verschiedenen Ländern, später schloss sie sich einer Aussiedlerclique an. "Fast alle Jungs aus der Clique sind ins Drogenmilieu abgerutscht". Anna Lange traf sie wieder, als sie ihr Praktikum bei der Polizei machte.
2006 hat Anna Lange ihre dreijährige Ausbildung bei der Polizei erfolgreich abgeschlossen, seit 2008 war sie in Griesheim stationiert und gehört seit Februar 2010 der Ermittlungsgruppe Darmstadt City an. "Es ist ein interessanter Beruf. Jeden Tag gibt es etwas Neues", erzält die junge Frau. Dass sie in zwei Kulturen zuhause ist, empfindet Anna Lange auch in ihrem Job als Vorteil "Wenn ich irgendwo eingesetzt bin, wo auch meine Landsleute involviert sind, dann reagiert man schon etwas anders", sagt sie. Auch dass sie russich spricht, kommt ihr in manchen Situationen zugute. Schon während ihres Praktikums fragte sie ihr Dienststellenleiter, ob sie nicht Lust habe, bei einem Projekt mitzumachen. Anna Lange ging an Schulen, hat kleine Vorträge gehalten und von ihrem Lebensweg erzählt. Später, als sie bei der Polizeidirektion im Vogelsberg eingesetzt war, arbeitete sie in einem Projekt zur Bekämpfung von Aussiedlerkriminalität mit. Sie recherchierte Daten und referierte über Ursachen, betreute einen russischen Infostand bei Tagen der Offenen Tür und wirkte bei einem Fußballspiel zwischen Kollegen und Aussiedlern mit.
Ihr Vorbild war ihre Mutter. „Sie hat mich immer motiviert. Obwohl sie kein einfaches Leben hatte, war sie immer sehr positiv eingestellt“, erinnert sich Anna Lange. Die Mutter habe sich sehr schnell in Deutschland integriert, während sich der Vater nur schwer einleben konnte. Die ausgebildete Grundschullehrerin ließ sich zunächst zur Erzieherin umschulen. Da es in diesem Beruf keine Stelle für sie gab, hat sie in einer Pflegestation ältere Menschen betreut. Der Wunsch von Anna Lange, das Abitur zu machen wurde durch eine schwere Krankheit ihrer Mutter durchkreuzt. Um Zeit zu gewinnen entschied sie sich für das Fachabitur mit der Fachrichtung Bautechnik. Schon damals schwebte ihr vor, Polizistin zu werden. Drei Jahre hat die Tochter die Mutter gepflegt, die kurz vor der Fachabiturprüfung verstarb. Da ihre Eltern sich ein paar Jahre zuvor getrennt hatten, war Anna Lange früh völlig auf sich allein gestellt. „Damals habe ich mir das Ziel gesetzt, dass es weiter geht und ich nicht in ein tiefes Loch falle“.
In Kasachstan hat sie von der zweiten bis zur fünften Klasse deutsch gelernt. „Ich konnte nur lesen und schreiben als ich nach Deutschland kam, reden eher weniger“. Am Anfang habe sie deshalb in der Grundschule in Alsfeld schon ihre Schwierigkeiten gehabt und die vierte Klasse wiederholt. Überhaupt war es anfangs schwierig, das deutsche System zu verstehen, meint Anna Lange. „Die erste Woche bin ich zwei Kilometer zu Fuß in die Schule gegangen, bis meine Eltern das mit dem Schulbus geregelt hatten“. Ab der fünften Klasse hat Anna Lange in der Schule sehr aufgeholt und nur Einser und Zweier nach Hause gebracht. Zu ihrer Motivation hat auch ein guter Bekannter der Familie seinen Teil beigetragen. „Er hat sich mein Zeugnis angeschaut und gesagt, für jede Note, in der Du Dich verbesserst, bekommst Du 100 Mark“. Sehr schnell hatte Anna Lang sich um 8 Notenpunkte verbessert. Der Freund der Familie hat Wort gehalten.
Menschen, die neu nach Deutschland zuwandern, empfiehlt Anna Lange, am gesellschaftlichen Leben in dem neuen Land teilzunehmen. Eine wichtige Rolle schreibt sie auch den Eltern zu „Sie müssen zur Integration beitragen, damit die Kinder sich integrieren können“. Anna Lange ist längst in Deutschland zuhause. Sie wohnt mit ihrem Freund, der aus dem Iran stammt und Arzt ist, in Weinheim. Häufig trifft sie sich mit ihrer Schwester und deren Kinder. Wenn es die Zeit zulässt, spielt sie Gitarre und geht joggen. In Kasachstan war sie, seit die Familie ausgewandert ist, nicht mehr.